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Wasserturm nach Fertig­stellung

Turm innen, Foto Werner Hennig, 2017


 
Der Lippstädter Wasserturm
Über die Wasserversorgung damals und heute

Der Lippstädter Wasserturm wurde 1901 ge­baut und war bis 1977 in Be­trieb. Als der dann unge­nutzte Turm ab­ge­ris­sen wer­den sollte, protes­tier­ten die Bürger. Der Turm blieb er­hal­ten und ist heute auch das Wahr­zei­chen des be­nach­bar­ten Gewer­be­gebiets, wo sich ab 1969 die ers­ten Unter­neh­men an­sie­del­ten.

Um 1880 gab es in Lippstadt ca. 1.200 Häuser und 539 pri­vate Brunnen. Im Prin­zip gleicht dies noch dem Zu­stand aus dem Mit­tel­alter, wo sich jeder selbst um die Wasser­beschaf­fung küm­mern musste. Mit dem kleinen Unter­schied, dass man im 19. Jahr­hun­dert wohl keine Zieh­brunnen mehr nutzte, wo ein Eimer am Seil hoch­ge­zogen wurde, son­dern Schwengel­pumpen (manu­elle Kol­ben­pumpen mit Hebel).

Das Grund­wasser in den Städten war je­doch durch Fäka­lien und Dung zu­neh­mend ver­un­rei­nigt, so dass viele Brunnen poli­zei­lich ge­schlos­sen wer­den muss­ten. Um den Eng­pass in der Wasser­ver­sor­gung zu be­he­ben, wurde Was­ser durch eine Lei­tung aus Eikeloh nach Lipp­stadt ge­lei­tet. 1886 bau­te die Stadt Lipp­stadt dazu zwi­schen Böken­förde und Eikeloh ein Wasser­werk, im Quell­gebiet von Gieseler und Pöppelsche. 1890 wa­ren be­reits 70% der Häuser in Lipp­stadt (da­mals nur aus der Kern­stadt be­stehend) an die neue Wasser­lei­tung an­ge­schlos­sen.

Als Wasserdruck gab es nur das natür­liche Ge­fälle von Eikeloh nach Lipp­stadt. Z.B. hat die Gieseler eine Quell­höhe von 97,5 m über dem Meeres­spiegel, hin­ge­gen liegt Lipp­stadt auf 79 m Normal­höhen­null. Der Höhen­unter­schied reichte je­doch nicht aus, um das Was­ser in Lipp­stadt auch bis in die zweite Etage der Häuser hoch­zu­drücken. So hatte man nur im Erd­geschoss flie­ßend Wasser.

Um die Wasser­menge und den Wasser­druck er­höhen und kons­tant hal­ten zu kön­nen, wurde der Wasser­turm als Zwischen­speicher ge­plant und 1901 ge­baut. Auch der Wasser­turm in Eikeloh wurde 1901 ge­baut.
Der Lippstädter Wasserturm ist 41 m hoch, plus 5 m für die Turm­spitze (zum Ver­gleich: der Kirch­turm der Marien­kirche ist 65 m hoch). Der untere Teil des Wasser­turms ist leer und ent­hält nur drei große Wasser­rohre (siehe Foto).

Der Wasserbehälter, der oben im breiten Kopf des Turms liegt, hat einen Durch­mes­ser von 10 m, ist 7,50 m hoch und fasst 500 m³ Was­ser (also 500.000 Liter oder 500 Tonnen Ge­wicht).
Wassertürme haben meis­tens eine runde Bau­form, um das Ein­knicken zu einer Seite ver­hin­dern. Bei einer eckigen Bau­form be­steht die Gefahr ein­sei­ti­ger Be­las­tung einer ein­zel­nen Wand und des Ein­knickens der be­las­te­ten Seite.

Nur mit einem statischen Trick war es mög­lich, dass der Turm unter­halb des Wasser­behäl­ters schmaler ge­baut werden konnte als der Wasser­behäl­ter selbst. 18 Jahre vor dem Bau unseres Wasser­turms hatte Otto Intze, der Lehrer in Holz­minden war, eine spezi­elle Boden­form für Wasser­behälter er­fun­den, die das Ge­wicht des Was­sers und hori­zon­tal wir­kende Kräfte in eine verti­kale Rich­tung auf einen Druck­ring um­lei­tet, so dass eine schlanke Turm­kons­truktion mög­lich wurde (als Ständer unter dem Druck­ring). Eine weitere Er­fin­dung von Intze zur Druck­ver­tei­lung wurde 1908 beim Bau der Möhne­tal­sperre ange­wen­det, um die Wasser­massen durch die Sperr­mauer auf­halten zu können - damals die größte Tal­sperre der Welt.

Nach dem Bau des Wasserturms wurde das Was­ser aus einem Tief­brun­nen bei Eikeloh ge­för­dert und in den Wasser­turm ge­pumpt. Bei Be­darf war es mög­lich bis zu 108.000 Liter pro Stunde nach­zu­füllen (an­geb­lich mit nur einer 25-PS-Pumpe). Unter­halb des Füll­stands im Be­häl­ter ist der Druck über­all gleich groß (Prin­zip der kom­munizie­renden Röhren). Der Wasser­druck reichte nun sogar aus, um im Brand­fall Lösch­wasser bis zu Häuser­dächern hoch­spritzen zu kön­nen. Heut­zutage sor­gen statt­dessen elek­trische Pumpen für einen kons­tan­ten Druck in den Lei­tungen.

1951 schrieb Der Patriot, dass es einen all­jähr­lich im Sommer auf­tre­tenden Wasser­notstand gab. Dieser wurde be­ho­ben, in­dem ein Zusatz­wasser­werk am ehe­maligen Flieger­horst (heute Lipper­bruch) an­ge­legt wurde. Dessen Leitung mün­det am Nord­bahnhof in das inner­städ­tische Rohr­netz.

Der Wasserturm war bis 1977 in Be­trieb, also 76 Jah­re lang. Danach waren die Stahl­träger im Turm­kopf bau­fäl­lig und die Stadt­werke be­an­trag­ten 1982 den Ab­riss des nicht mehr ge­nutz­ten Turms.

Doch den Lippstädtern war der Wasser­turm als Sym­bol ans Herz ge­wach­sen und für viele Bürger schien ein Ab­riss un­denk­bar. 1983 ini­ti­ierte der Spar­kassen-Direktor Werner Brunswieck eine Stif­tung zur Ret­tung. Die Stadt­spar­kasse stat­tete die Stif­tung mit 100.000 DM Kapi­tal aus. Zur glei­chen Zeit wurde der Wasser­turm als Indus­trie­denkmal unter Schutz ge­stellt (1985).

In Nachbarschaft zum Wahrzeichen wuchs ab 1969 das neue Indus­trie­gebiet. Zu den ersten Firmen dort ge­hörte „Die Teppich­säle”, eine Groß­hand­lung für Raum­texti­lien und Hand­werker­einkauf, die seit 1947 ein Ge­schäft in der Innen­stadt hatte.
1971 baute Stella Möbel, das 1951 am Tier­garten ge­grün­det wor­den war, ein Möbel­werk am Wasser­turm. Auch aus­wär­tige Firmen sie­del­ten sich im neuen Indus­trie­gebiet an.

Zurück zum Wasserturm selbst: Zwischen 1986 und 1992 wur­den diverse Reno­vie­rungen am Turm vor­ge­nom­men. Die Reno­vie­rungs­kosten wurden aus drei ver­schie­denen Töpfen be­zahlt. Ein Drittel hat das Amt für Denkmal­schutz des Land­schafts­verbands West­falen-Lippe be­strit­ten, 1/3 wurde vom Re­gierungs­präsiden­ten Arns­berg aus Mitteln des Landes NRW be­zahlt, und das rest­liche Drit­tel wurde von der Spar­kassen-Stif­tung ge­tra­gen, die durch Spenden der Lipp­städ­ter Bürger unter­stützt wurde. 1999 wurde eine Außen­be­leuchtung für die Abend­stunden ins­tal­liert. Die laufen­den Kos­ten wer­den aus den Zins­erträ­gen der Stif­tung be­strit­ten.

Die aktuelle Wasserversorgung

Inzwischen sind noch zwei weitere Wasser­werke hinzu­ge­kommen: Das Wasser­werk Fichten in Lipperode und das Wasser­werk Manting­hausen. Zusammen för­dern sie jähr­lich rund 4 Mil­lionen Kubik­meter Wasser für etwa 71.000 Men­schen. Aus dem ersten Wasser­werk bei Eikeloh, vom dem ur­sprüng­lich alles herbei­ge­führte Wasser kam, stam­men heute nur noch 10% bis 15% der Gesamt­menge der Lipp­städ­ter Wasser­werke.

2006 musste das Eike­loher Wasser­werk einmal auf­grund von PFT-Be­las­tungen vom Netz ge­nom­men werden. Das toxische und krebs­erre­gende PFT im Eike­loher Wasser und in der Möhne rührte von Dünger in der Land­wirt­schaft, der aus Klär­schlämmen und Indus­trie­abfällen her­ge­stellt worden war. Erst nach dem Ein­bau einer Aktiv­kohle-Filter­anlage konnte das Wasser­werk knapp zwei Jahre später wie­der in Be­trieb ge­nom­men werden.

Faszinierend ist die Anzahl der Bohr­löcher (Brun­nen) der einzel­nen Wasser­werke: Am größ­ten Wasser­werk Lipper­bruch gibt es rund 850 Brunnen­bohrun­gen, die je­weils 10 bis 12 Me­ter in die Tiefe reichen.

2018 schrieben die ↗Stadt­werke in ihrem Magazin: „Grund­wasser ist genug da. Wir haben eine einzig­artige geolo­gi­sche Lage zwi­schen Haar, Pader­borner Land und Teuto­burger Wald. Unsere Mes­sungen zeigen keine signi­fi­kante Ab­sen­kung in den letz­ten 25 Jah­ren”.
Doch nach mehreren trocke­nen Sommern gab es 2022 einen Hin­weis zum Wasser­sparen und dass die Grund­wasser­stände noch von ihrem frü­he­ren Niveau ent­fernt sind. Durch den gerin­gen Regen­fall „fand keine Grund­wasser­neu­bil­dung statt”. Erst mit dem Dauer­regen zum Jahres­wechsel 2023/2024 war eine fünf Jahre dau­ernde Dürre deutsch­land­weit vor­erst be­endet.

Wasser kann man im engeren Sinne nicht ver­brau­chen, denn auf unse­rem Plane­ten gibt es immer die glei­che Menge davon. Für die regio­nale Wasser­ver­sor­gung ist es je­doch sicher­lich interes­sant, dass ausrei­chend Grund­wasser vor Ort ist - und nicht irgend­wo anders. Wird Grund­wasser hoch­ge­pumpt und nach Ge­brauch in Flüsse und Meere ab­ge­leitet, ist es halt doch erst mal weg. Falls der lokale Ver­brauch dauer­haft höher wäre (Über­nutzung) als der natür­liche Kreis­lauf hier­her zu­rück­liefert, nützt einem die Weis­heit „Wasser kann man nicht ver­brau­chen” letzt­lich doch recht wenig.

Text: Jörg Rosenthal.
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