Wasserturm nach Fertigstellung |
Turm innen, Foto Werner Hennig, 2017 |
Bei Sonnenuntergang © Birdview Luftaufnahmen, 2016 |
Um 1880 gab es in Lippstadt ca. 1.200 Häuser und 539 private Brunnen. Im Prinzip gleicht dies noch dem Zustand aus dem Mittelalter, wo sich jeder selbst um die Wasserbeschaffung kümmern musste. Mit dem kleinen Unterschied, dass man im 19. Jahrhundert wohl keine Ziehbrunnen mehr nutzte, wo ein Eimer am Seil hochgezogen wurde, sondern Schwengelpumpen (manuelle Kolbenpumpen mit Hebel).
Das Grundwasser in den Städten war jedoch durch Fäkalien und Dung zunehmend verunreinigt, so dass viele Brunnen polizeilich geschlossen werden mussten. Um den Engpass in der Wasserversorgung zu beheben, wurde Wasser durch eine Leitung aus Eikeloh nach Lippstadt geleitet. 1886 baute die Stadt Lippstadt dazu zwischen Bökenförde und Eikeloh ein Wasserwerk, im Quellgebiet von Gieseler und Pöppelsche. 1890 waren bereits 70% der Häuser in Lippstadt (damals nur aus der Kernstadt bestehend) an die neue Wasserleitung angeschlossen.
Als Wasserdruck gab es nur das natürliche Gefälle von Eikeloh nach Lippstadt. Z.B. hat die Gieseler eine Quellhöhe von 97,5 m über dem Meeresspiegel, hingegen liegt Lippstadt auf 79 m Normalhöhennull. Der Höhenunterschied reichte jedoch nicht aus, um das Wasser in Lippstadt auch bis in die zweite Etage der Häuser hochzudrücken. So hatte man nur im Erdgeschoss fließend Wasser.
Um die Wassermenge und den Wasserdruck erhöhen und konstant halten zu können, wurde der Wasserturm als Zwischenspeicher geplant und 1901 gebaut.
Auch der Wasserturm in Eikeloh wurde 1901 gebaut.
Der Lippstädter Wasserturm ist 41 m hoch, plus 5 m für die Turmspitze (zum Vergleich: der Kirchturm der Marienkirche ist 65 m hoch).
Der untere Teil des Wasserturms ist leer und enthält nur drei große Wasserrohre (siehe Foto).
Der Wasserbehälter, der oben im breiten Kopf des Turms liegt, hat einen Durchmesser von 10 m, ist 7,50 m hoch
und fasst 500 m³ Wasser (also 500.000 Liter oder 500 Tonnen Gewicht).
Wassertürme haben meistens eine runde Bauform, um das Einknicken zu einer Seite verhindern.
Bei einer eckigen Bauform besteht die Gefahr einseitiger Belastung einer einzelnen Wand und des Einknickens der belasteten Seite.
Nur mit einem statischen Trick war es möglich, dass der Turm unterhalb des Wasserbehälters schmaler gebaut werden konnte als der Wasserbehälter selbst. 18 Jahre vor dem Bau unseres Wasserturms hatte Otto Intze, der Lehrer in Holzminden war, eine spezielle Bodenform für Wasserbehälter erfunden, die das Gewicht des Wassers und horizontal wirkende Kräfte in eine vertikale Richtung auf einen Druckring umleitet, so dass eine schlanke Turmkonstruktion möglich wurde (als Ständer unter dem Druckring). Eine weitere Erfindung von Intze zur Druckverteilung wurde 1908 beim Bau der Möhnetalsperre angewendet, um die Wassermassen durch die Sperrmauer aufhalten zu können - damals die größte Talsperre der Welt.
Nach dem Bau des Wasserturms wurde das Wasser aus einem Tiefbrunnen bei Eikeloh gefördert und in den Wasserturm gepumpt. Bei Bedarf war es möglich bis zu 108.000 Liter pro Stunde nachzufüllen (angeblich mit nur einer 25-PS-Pumpe). Unterhalb des Füllstands im Behälter ist der Druck überall gleich groß (Prinzip der kommunizierenden Röhren). Der Wasserdruck reichte nun sogar aus, um im Brandfall Löschwasser bis zu Häuserdächern hochspritzen zu können. Heutzutage sorgen stattdessen elektrische Pumpen für einen konstanten Druck in den Leitungen.
1951 schrieb Der Patriot, dass es einen alljährlich im Sommer auftretenden Wassernotstand gab. Dieser wurde behoben, indem ein Zusatzwasserwerk am ehemaligen Fliegerhorst (heute Lipperbruch) angelegt wurde. Dessen Leitung mündet am Nordbahnhof in das innerstädtische Rohrnetz.
Der Wasserturm war bis 1977 in Betrieb, also 76 Jahre lang. Danach waren die Stahlträger im Turmkopf baufällig und die Stadtwerke beantragten 1982 den Abriss des nicht mehr genutzten Turms.
Doch den Lippstädtern war der Wasserturm als Symbol ans Herz gewachsen und für viele Bürger schien ein Abriss undenkbar. 1983 initiierte der Sparkassen-Direktor Werner Brunswieck eine Stiftung zur Rettung. Die Stadtsparkasse stattete die Stiftung mit 100.000 DM Kapital aus. Zur gleichen Zeit wurde der Wasserturm als Industriedenkmal unter Schutz gestellt (1985).
In Nachbarschaft zum Wahrzeichen wuchs ab 1969 das neue Industriegebiet.
Zu den ersten Firmen dort gehörte „Die Teppichsäle”, eine Großhandlung für Raumtextilien und Handwerkereinkauf,
die seit 1947 ein Geschäft in der Innenstadt hatte.
1971 baute Stella Möbel, das 1951 am Tiergarten gegründet worden war, ein Möbelwerk am Wasserturm.
Auch auswärtige Firmen siedelten sich im neuen Industriegebiet an.
Zurück zum Wasserturm selbst: Zwischen 1986 und 1992 wurden diverse Renovierungen am Turm vorgenommen. Die Renovierungskosten wurden aus drei verschiedenen Töpfen bezahlt. Ein Drittel hat das Amt für Denkmalschutz des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe bestritten, 1/3 wurde vom Regierungspräsidenten Arnsberg aus Mitteln des Landes NRW bezahlt, und das restliche Drittel wurde von der Sparkassen-Stiftung getragen, die durch Spenden der Lippstädter Bürger unterstützt wurde. 1999 wurde eine Außenbeleuchtung für die Abendstunden installiert. Die laufenden Kosten werden aus den Zinserträgen der Stiftung bestritten.
Die aktuelle Wasserversorgung
Inzwischen sind noch zwei weitere Wasserwerke hinzugekommen: Das Wasserwerk Fichten in Lipperode und das Wasserwerk Mantinghausen. Zusammen fördern sie jährlich rund 4 Millionen Kubikmeter Wasser für etwa 71.000 Menschen. Aus dem ersten Wasserwerk bei Eikeloh, vom dem ursprünglich alles herbeigeführte Wasser kam, stammen heute nur noch 10% bis 15% der Gesamtmenge der Lippstädter Wasserwerke.
2006 musste das Eikeloher Wasserwerk einmal aufgrund von PFT-Belastungen vom Netz genommen werden. Das toxische und krebserregende PFT im Eikeloher Wasser und in der Möhne rührte von Dünger in der Landwirtschaft, der aus Klärschlämmen und Industrieabfällen hergestellt worden war. Erst nach dem Einbau einer Aktivkohle-Filteranlage konnte das Wasserwerk knapp zwei Jahre später wieder in Betrieb genommen werden.
Faszinierend ist die Anzahl der Bohrlöcher (Brunnen) der einzelnen Wasserwerke: Am größten Wasserwerk Lipperbruch gibt es rund 850 Brunnenbohrungen, die jeweils 10 bis 12 Meter in die Tiefe reichen.
2018 schrieben die ↗Stadtwerke in ihrem Magazin:
„Grundwasser ist genug da. Wir haben eine einzigartige geologische Lage zwischen Haar,
Paderborner Land und Teutoburger Wald.
Unsere Messungen zeigen keine signifikante Absenkung in den letzten 25 Jahren”.
Doch nach mehreren trockenen Sommern gab es 2022 einen Hinweis zum Wassersparen und
dass die Grundwasserstände noch von ihrem früheren Niveau entfernt sind.
Durch den geringen Regenfall „fand keine Grundwasserneubildung statt”.
Erst mit dem Dauerregen zum Jahreswechsel 2023/2024 war eine fünf Jahre dauernde Dürre deutschlandweit vorerst beendet.