Vorderseite 1917 noch ohne Parkplatz |
Gartenwirtschaft am Eichenwald |
Postkarte, 1909 |
Parkplatz zur Wirtschaftswunderzeit |
Das Waldschlößchen, 1893 - 1976 ↓ Bau und Werdegang ↓ Erinnerungen ↓ Stadion: Fußball + Football |
Bauherr und Eigentümer war die Lippstädter Brauerei Nies, d.h. die Brüder Wilhelm und Dietrich Nies, deren Brauerei bis 1920 mitten in der Innenstadt auf dem heutigen Marktplatz/Parkplatz stand (dann zusammengeführt mit Brauerei Weissenburg).
Das Waldschlösschen war wohl das größte und best gepflegteste Ausflugslokal in der Umgebung. Zudem hatte es eine wichtige Funktion als Versammlungssaal, denn zu jener Zeit gab es in Lippstadt nur den Alsen-Saal am Klusetor. Damals gab es weder ein Stadttheater noch Schützenhallen, und anfangs auch noch nicht den Kolping-Saal.
Franz Kersting schrieb 1905 in seinem Buch „Lippstadt zu Anfang des 20. Jahrhunderts“ über den Norden:
„Seit dem Ende der 1870er Jahre der Sandweg, welcher vom Cappeltor durch das Cappeler Wäldchen nach Cappel-Liesborn führte,
chaussiert worden ist, vermehren sich auch an diesem Tor bald die neuen Ansiedlungen“.
Über das Waldschlößchen schrieb Kersting:
„Es wurde 1893 in der früheren Erdmann'schen Torfkuhle erbaut;
vor dem Haus ist eine 5 ha große Festwiese mit zwei Tennisplätzen.
Im Hintergrund liegt ein alter stattlicher Eichenwald mit schattigen Sitzplätzen und Spiel- und Turngeräten.
Während des Winters sind im Waldschlößchen mehrere Abonnements-, im Sommer gewöhnliche Konzerte,
außerdem allsonntägliche Turnspiele auf dem Platz und verschiedene andere Festlichkeiten.“
1905, gesellige Vergnügung: Abzeichen und Liederbücher mitbringen.
Im ↗Patriot-Zeitungsarchiv ist mir aufgefallen, dass es kaum Werbung für das Waldschlösschen gab. Stattdessen haben Vereine, die sich dort im Saal versammelten, per Zeitungsannoncen zu ihren Feierlichkeiten eingeladen. Möglicherweise war das Lokal derart bekannt, fast konkurrenzlos und gut besucht, dass es keine Eigenwerbung nötig hatte? Aus dem unten folgenden Text mit positiven Erinnerungen, z.B. an das Sportplatz-Angebot, kann man auf einen guten geschäftlichen Erfolg schließen.
Umso klangloser scheint das Waldschlösschen verschwunden zu sein, nach 83 Jahren wurde das Gebäude 1976 abgerissen. In seinen letzten Jahren war das Waldschlösschen ein Wohnheim für Gastarbeiter der WMI (Hella). Ich weiß nicht, wann diese „letzten Jahre“ begannen, ich vermute frühestens ab den 1960er Jahren. War der Betrieb des Lokals schon in den 60ern nicht mehr rentabel, obwohl die Konsumlaune in der Wirtschaftswunderzeit bestens war? Oder war einfach das finanzielle Angebot der WMI für die Umnutzung als Wohnheim zu attraktiv? Wer weiß etwas?
Zumindest scheint nach der Wohnheim-Nutzung kein Interesse mehr bestanden zu haben, wieder ein Ausflugslokal daraus zu machen. Der Abriss erfolgte im November 1976. Lediglich der Name des benachbarten Stadions und gegenüber ein Straßenname erinnern noch an das Waldschlösschen.Das „Waldschlößchen“ in seiner guten Zeit ein helles, schmuckes Ausflugsrestaurant, war ein beliebtes Ziel für Sonntagsnachmittags-Spaziergänge. Dort trank man Kaffee, dort konnten die Kinder spielen, und man hatte sogar einen kleinen Wald, unmittelbar am Haus.
Hinter diesem Wald lag „Ensen-Kamp“ eine Wiese, in der eine mächtige Eiche stand. Ich weiß nicht mehr, wieviel Menschen nötig waren, um ihren Stamm zu umspannen. Aber ich meine, ich hätte nie wieder eine so dicke Eiche gesehen.
Hinter „Ensen-Kamp“ war „Zurhellen Torfkuhle“. Sie war damals schon keine Torfkuhle mehr, sondern ein Wald, der aber nicht zugänglich war. Rundherum zog sich ein Wassergraben und ein kräftiger Eisenzaun. Wenn wir Kinder es trotzdem schafften, in den „verschlossenen Wald“ — wie wir ihn nannten — hereinzukommen, dann fanden wir darin ein kleines festes Gartenhäuschen und eine eingefriedigte Grabstätte. Wer dort begraben lag — ich weiß es nicht mehr. Dieses Grab aber machte uns den Wald unheimlich. Später hat das Gartenhäuschen viele Jahre der Wehrloge des Guttempler-Ordens als Heim gedient.
Am Waldschlößchen, das der Brauerei Weissenburg gehörte, lagen die ersten Tennisplätze in Lippstadt. Tennis war damals ein exklusiver Sport, nur von den „oberen Zehntausend“ ausgeübt. Wenn wir zusahen, dann wunderten wir uns darüber, daß die Tennissprache anscheinend englisch war.
Gleich am Eingang zum Waldschlößchen durch das Tor von der Beckumer Straße her, lag eine große Wiese. Darauf standen zwei Fußballtore, und dort spielte — es muß 1910 gewesen sein — der Fußballklub „Borussia“. Tribünen und Sitzplätze gab es nicht. Ich erinnere mich auch nicht an Umkleideräume. Eintritt mußte man auch nicht bezahlen, es ging alles noch sehr bescheiden zu. [...] Einmal war sogar ein leibhaftiger Engländer auf dem Spielfeld. Das war damals eine Sensation!
Da es damals in Lippstadt noch keinen Jahnplatz gab, war das
Waldschlößchen auch der Schauplatz zahlreicher leichtathletischer Wettkämpfe.
Der Saal des Waldschlößchen war neben dem Alsen-Saal der einzige größere Raum für Veranstaltungen in unserer Stadt.
Der Kolping-Saal bestand noch nicht.
Im Waldschlößchen feierten die Kölner von der Artillerie-Werkstatt [heute Standort Rothe Erde] ihren Karneval. Sie hatten ihn aus ihrer rheinischen Heimat mitgebracht und hielten ihn auch „in der Fremde“ hoch in Ehren. Und manches Konzert des Männergesangvereins „Sängertreu“, der ja auch in Köln gegründet und mit nach Lippstadt gekommen war, hatte sein Domizil im Waldschlößchen-Saal.
Wenn die Lippstädter Schulkinder ihren alljährlichen Schulausflug machten, dann ging es entweder zum Waldschlößchen oder zum Kranenkasper. Die Fußballwiese war ein idealer Spielplatz, bei Regen fand das Fest im Saale statt. Das höchste der Gefühle war nach Wettlaufen, Sackhüpfen und Drittenabschlagen ein Glas Himbeer-Limonade, von einer geschickten Lehrerin aus ein paar Flaschen Himbeersaft und viel Leitungswasser in einem großen Kessel hergestellt.Der Unterschied zwischen 1905 und 1910 ist leicht zu erklären, denn der Sportverein Borussia 08 Lippstadt
wurde 1908 gegründet, und nur wenige Tage zuvor der 1. Lippstädter Fußballclub Teutonia,
beide gegründet im März 1908.
Die Teutonen spielten anfangs am Rüsinghof, auf einer Wiese von Bauer Holtkamp.
Und die Borussen waren anfangs am Kranenkasper zuhause
(Mastholter Straße).
1921 wurde der neue Sportplatz am Waldschlösschen eingeweiht. Mir ist unklar, ob es sich dabei um die zuvor genannte Wiese mit den Toren handelte, die zum Lokal gehörte, oder ob es sich um ein anderes Grundstück in der Nachbarschaft handelt. 1921 wurde es noch als Sportplatz bezeichnet, nicht als Stadion. Die Tribüne wurde erst 1986 errichtet.
Und über den Platz am Lipperbruchbaum (Wiedenbrücker Straße) habe ich in einem Text von Willi Kröger gefunden: Man kann sich die Verhältnisse in den 1920er und 30er Jahren nicht primitiv genug vorstellen: Hohes Gras von Eckfahne zu Eckfahne, die Strafräume und der Mittelkreis im Sommer Sandwüsten, im Winter Seen und Morast. Die Spieler zogen sich in einem kleinen Schuppen um. Im Sommer konnten die Spieler sich im Boker Kanal waschen.
In der Vereinsgeschichte von Teutonia fand ich die Zeile: "1950 - Kauf Waldschlößchen". Hierzu müsste ich mal recherchieren und es ergänzen.
1997 fusionierten die Fußballabteilungen Teutonia und Borussia zum ↗Spielverein Lippstadt 08 e.V. Der SV Lippstadt verabschiedete sich 2014 vom Stadion am Waldschlösschen. Dazu wurde geschrieben: Die traditionsreiche Spielstätte des SV 08 erlebte am 07.12.2014 im Oberliga-Spiel gegen den TuS Ennepetal einen würdigen Abschied. Ab 2015 tragen die 08er ihre Heimspiele im neuen Stadion „am Bruchbaum“ aus.
American Football
Im Januar 2016 wurde der 1. AFC Lippstadt Eagles e.V. gegründet, der einzige American-Football-Verein im Kreis Soest. Auf ihrer Website schreiben die ↗Lippstadt Eagles: Seit Anfang 2018 nutzen wir das Gelände und die Räumlichkeiten der Sportanlage "Am Waldschlösschen". Hier, in den ehemaligen Räumlichkeiten des SV Lippstadt, ist die Verwaltung, die Trainings- und Spielstätte der Lippstadt Eagles zu finden.