Das Palais von 1788 sieht aus wie ein solides Steinhaus, ist aber ein Fachwerkhaus mit einer Steinfassade.
Es war ein vornehmes Wohnhaus (Patrizierhaus) und war das erste Haus Lippstadts im Stil des Klassizismus, der mit seinen vereinfachten Formen den Barock ablöste.
Ich schreibe im Folgenden immer „Stadtpalais“, obwohl ich nicht weiß, ob es nicht früher nach den damaligen Eigentümern als „Haus Epping“ oder als
„Haus Delhaes“ (gesprochen: Delhas, mit Dehnungs-e) bezeichnet wurde.
Das Wort Palais beschreibt im Deutschen ein prächtiges Gebäude, entlehnt vom französischen Wort für Palast.
Das Haus wurde 1785-1788 von einem wohlhabenden Kaufmann gebaut, Gilles Delhaes (1758-1840), der aus Belgien stammte und nach Lippstadt einheiratete.
1784 hatte er das Lippstädter Bürgerrecht bekommen.
Genauer gesagt stammte er aus dem plattdeutsch sprechenden Teil der österreichischen Niederlande, wie Belgien damals hieß.
Delhaes kam nach Lippstadt nachdem zuvor schon seine ältere Schwester Anna 1777 den Lippstädter Kaufmann und Tuchhändler Diedrich Zurhelle geheiratet hatte.
Das Grundstück am Rathausplatz (früher Marktplatz genannt) gehörte dem Lippstädter Justizrat Brinckmann, der es seiner Tochter Marianne und ihrem Ehegatten Delhaes als Bauplatz überließ.
Gilles Delhaes aus Eupen/Belgien war Tuchhändler und Fabrikant. Wenige Jahre nach dem Bau des Palais wurde er sogar Bürgermeister von Lippstadt (von 1794 bis 1804), zusammen mit Johann Konrad Rose.
1799 übernachtete im Stadtpalais der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840).
An einer Steintafel am Palais steht heute eingemeißelt, dass er mit seiner Gemahlin Königin Luise hier war, der anmutigen und geborenen Prinzessin und Herzogin zu Mecklenburg.
Zu der Zeit gab es einen regelrechten Luisen-Kult: „die Königin der Herzen“,
„die vier schönen Schwestern auf dem Thron“.
In der Regel hatte das Königspaar ein Gefolge von bis zu 80 Personen, die auf angesehene, ortsansässige Familien zu verteilen waren.
Für Lippstadt und die Bürger sicherlich der Höhepunkt des Jahres 1799.
Die Lippstädter Luisenstraße wurde 1908 nach Königin Luise benannt. Doch wie die Autorin Rita Fust 2012 bei der Recherche zu ihrem zweiten Buch „Die Gunst der Königin“ herausfand, war Königin Luise gar nicht mit in Lippstadt.
Obwohl 1914 Carl Laumanns in seinen Heimatblättern noch deutlich geschrieben hatte, dass Luise nicht hier war, wurde 1956 auf Initiative des Heimatbunds eine Steintafel am Stadtpalais angebracht, die Luises Besuch behauptet.
Der inhaltliche Fehler beruht vermutlich auf einem Missverständnis. Die wahre Geschichte ist also nicht wie sprichwörtlich in Stein gemeißelt.
Königin Luise war in jenen Tagen auf Familienbesuch in Hildburghausen.
In der Ehe des Königspaares Luise und Friedrich wurden
10 Kinder geboren, wovon sieben das Erwachsenenalter erreichten, und
Sohn Friedrich Wilhelm IV (1795-1861) als Kronprinz hervorging.
Als Kronprinz übernachtete er 1825 ebenfalls im Lippstädter Stadtpalais, also lange bevor er 1840 selber als König von Preußen den Thron bestieg.
Diesem „Romantiker auf dem Thron“ haben wir es zu verdanken, dass die Lippstädter Stiftsruine nicht abgerissen wurde.
Denn nachdem 1841 die einsturzgefährdete Stiftskirche bereits für 2.300 Taler an den Meistbietenden auf Abbruch verkauft worden war,
erteilte König Friedrich Wilhelm IV keine Genehmigung zum Abbruch der historischen Kirche, um sie der Nachwelt zu erhalten.
Nach dem Tod von Gilles Delhaes im Jahr 1840 blieb das Stadtpalais in Familienbesitz, wurde aber vermietet. Ab 1852 wohnte hier für vier Jahre der Herzog Eugen von Württemberg.
Er war Kommandeur eines Husarenregiments, das unweit in der ehemaligen Kaserne an der Brüderkirche stationiert war.
Der Kommandeur war in Lippstadt sehr beliebt, da er regelmäßig Abendgesellschaften gab.
Es sollen die glanzvollsten Jahre des Delhaes'schen Hauses gewesen sein.
1860 heiratete Tochter Martha Delhaes den Kaufmann Johann Dietrich Epping, dessen gleichnamigem(?) Vater das Handelskontor J.D. Epping gehörte, dort wo heute die Woolworth steht.
Eine Generation später wurde das Stadtpalais deshalb Haus Epping genannt.
Das Haus war Mittelpunkt für Generationen der Familien Epping, Delhaes, Kisker, Rhenius, Sterneborg, Overbeck und Zurhelle.
Bis 1937 blieb die Villa in Familienbesitz und wurde dann an den Kreis Lippstadt, später an die Stadt Lippstadt verkauft.
Mit wechselnden Mietern verfiel das Haus, so dass 1973 alle Mieter das Haus verlassen mussten, um es von Grund auf zu restaurieren.
Heute befinden sich im Stadtpalais das ↗
Standesamt,
Fraktionsbüros und die ↗
KWL (Kultur und Werbung Lippstadt).
Die ursprüngliche Ausstattung als Wohnhaus ist nicht mehr vorhanden, aber die beiden Trauzimmer enthalten restaurierte Stuckarbeiten an Decken und Wänden.
2016 wurde das Schieferdach neu gedeckt.
Vor dem Standesamt steht der
Bürgerbrunnen mit neun beweglichen Figuren, der am 6. Mai 1988 zum 800-jährigen Stadtjubiläum eingeweiht wurde.
Für die Kosten des Brunnens wurden von Bürgern über 110.000 DM gespendet, die restlichen 50.000 DM übernahm die Stadtsparkasse.