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Lippstädter Katechismus, 1524,
Fastenpredigten von Johannes Westermann
Tür der Marienkirche,
Darstellung reformatorischer Predigt


 
Die Reformation in Lippstadt

Martin Luther wurde 1483 in Eis­leben (Sachsen-Anhalt) ge­boren. Nach seinem Studium in Erfurt trat er dort im Alter von 21 Jahren in das Kloster der Augustiner-Eremiten ein, wo er zwei Jahre später zum Priester ge­weiht wurde.
Die Augustiner-Eremiten unter­hielten auch ein Kloster in Lipp­stadt, neben der Brüder­kirche (wo heute die Schule im Grünen Winkel steht), wo Luther mög­licher­weise 1516 zu Besuch war - also ein Jahr bevor er seine 95 Thesen an die Kirchen­tür in Witten­berg ge­nagelt haben soll.

Drei Jahre nach dem Thesen­aushang schickten die Lipp­städter Augustiner-Eremiten ihre Mönche Johann[es] Wester­mann und Herrmann Koiten zum Stu­dieren an die Uni­ver­sität Witten­berg (von 1520 und 1524), wo Luther als Pro­fessor Vor­lesungen über die Bibel hielt. Während der Studien­zeit unserer Mönche fand in Witten­berg der aller­erste Gottes­dienst in deutscher Sprache statt, zu Weih­nachten am 25. Dezember 1521.

In diesem Jahr übersetzte Luther zunächst das Neue Testament ins Deutsche, das 1522 ge­druckt er­schien. Im folgenden Jahr be­gann er auch teil­weise eine Über­setzung des Alten Testa­ments. Durch den Buch­druck besaß be­reits nach drei Jahren rund ein Drittel aller lese­kundigen Deutschen eine seiner Über­setzungen. Aus Luthers ost­mittel­deutschem Dialekt aus Eis­leben ent­wickelte sich durch die Ver­breitung seiner deutschen Texte die hoch­deutsche Sprache.

Johannes Westermann war 1523 als Doktor der Theo­logie nach Lipp­stadt zurück­gekehrt und predigte hier die neue Lehre nach Luther, ver­mut­lich die erste refor­ma­torische Predigt in West­falen. Westermann hatte so großen Zulauf, dass er von der Brüder­kirche in die größere Marien­kirche aus­weichen musste. Die von ihm ge­haltenen Fasten­predigten wurden 1524 als Buch gedruckt, der „Lipp­städter Katechismus“. Damit wurde Lipp­stadt wo­möglich zu einem der ersten Druckerei-Standorte in West­falen. Der Lipp­städter Katechismus war das erste evan­gelische Buch West­falens und das erste deutsch­sprachige Lehr­buch. Es er­schien auf mittel­nieder­deutsch, damit es hier jeder ver­stehen konnte.

Die Veränderungen in der Lippstädter Bürger­schaft blieben dem Kölner Erz­bischof nicht ver­borgen, der deshalb 1526 einen Gegen-Prediger nach Lipp­stadt schickte. Dennoch stellten die Lipp­städter 1530 den protes­tantischen Prediger Gerhard Oemeken aus Lübeck ein, damit er eine neue Kirchen­ordnung er­arbeitet. „Er kämpfte mit äußerster Ent­schieden­heit, Aggressi­vität und Kompro­miss­losig­keit. Die Obrig­keiten in Stadt und Land fürch­teten ihn, weil über­all, wo er auf­trat, das poli­tische und soziale Gefüge ins Wanken geriet und Auf­ruhr und Streit ent­standen, eine Wirkung, die Oemeken zweifel­los be­absichtigte.“

Zeitgleich begehrten die Lippstädter Zünfte auf, dass sie mehr Mit­sprache­recht im Stadt­regiment be­kommen wollten. Im Februar 1531 be­gannen die Zünfte ge­meinsam mit den An­hängern der lutherischen Lehre einen Auf­stand, bei dem sie die Magistrate der Stadt ver­trieben und einen neuen Rat bildeten. Damit war Lippstadt nach Minden die zweite west­fälische Stadt, die protes­tantisch wurde. Am 20. August 1531 wurde der erste Gottes­dienst in deutscher Sprache in Lipp­stadt abge­halten. Die Soester waren erst im Dezember soweit, nach­dem sie in einem Bürger­auf­stand ihren alt­gläubigen Bürger­meister ein­sperrten und ihn zwangen die Pfarrer ihrer 6 Kirchen gegen re­forma­torische Prediger aus­zu­tauschen.

Bezüglich Lippstadt bildeten sich klare Fronten: Auf der einen Seite for­mierten sich Lipp­stadts beide Landes­herren Lippe und Kleve (ge­teilte Herr­schaft), die ihre Rechte in der Stadt wieder stärken wollten, und auf der anderen Seite posi­tio­nierten sich die Lipp­städter Bürger mit ihrem Rat, die ihre Unab­hängig­keit durch­setzen wollten. Als sich Lipp­stadt allen Auf­for­derungen der Landes­herren wider­setzte, den protes­tantischen Prediger Oemeken zu ent­lassen, ver­hingen die Landes­herren Ende 1531 die totale Verkehrs- und Handels­sperre über Lipp­stadt.

Die Handelssperre brachte der Stadt einen em­pfind­lichen wirt­schaft­lichen Schaden. Anfang 1533 mussten die Lipp­städter dem Druck nach­geben und ent­ließen ihre protes­tantischen Prediger. Johannes Westermann ging nach Hofgeismar, wo er 1542 starb. Auch die poli­tische Autonomie des Lipp­städter Rates ging ver­loren. Im Gegen­zug wurde die Handels­sperre auf­ge­hoben. Außer­dem musste sich Lipp­stadt ver­pflichten die kirch­lichen Neu­erungen zurück­zu­nehmen. Einge­zogenes Kirchen­gut musste zurück­gegeben und alt­gläubige Prediger ein­ge­stellt werden, die das Abend­mahl in her­kömmlicher Weise aus­gaben, aber die Messe durfte weiter­hin auf deutsch ge­halten werden.

Das Augustiner-Eremiten-Kloster an der Brüder­kirche wurde 1542 auf­ge­löst, das Gebäude fiel der Stadt zu und wurde als Lager­haus ge­nutzt. Trotz des poli­tischen und re­forma­torischen Rück­schlags, wurden in den folgenden Jahr­zehnten unter dem Druck der evan­gelischen Be­völkerungs­mehrheit die Alt­gläubigen und ihre Ein­rich­tungen schritt­weise zurück­ge­drängt.

Da sich in den Folgejahren auch beide Landes­herren der Refor­mation zu­wandten, blieben die Lipp­städter Bürger auch nach dem Augs­burger Religions­frieden (1555) protes­tantisch. Nach der Re­formation hatten die Katho­liken in Lipp­stadt im Prinzip keine eigenes Kirchen­gebäude mehr. Doch 1526 hatte das katho­lische Kloster St. Annen-Rosen­garten (an der Kloster­straße) eine kleine Kirche ange­baut, wo nun vor allem durch den Zu­zug aus dem Um­land eine neue katho­lische Ge­meinde wuchs.

Ein Beispiel für die Gegen­reformation ist der Lipp­städter Caspar Ulenberg (1549-1617), der hier in eine evan­gelischen Familie ge­boren wurde, der aber später im katho­lischen Köln zur katho­lischen Kirche konver­tierte. 1614 wurde Caspar Ulenberg vom Kölner Erz­bischof be­auftragt eine deutsche Über­setzung der katho­lischen, latei­nischen Bibel anzu­fertigen. Ulenbergs Bibel sollte das neue katho­lische Standard­werk werden, quasi als Kon­kurrenz­produkt zu Luthers Bibel. Aller­dings er­schien Ulenbergs Bibel wegen des Dreißig­jährigen Kriegs erst 1630 und wurde dann kein Renner mehr.

In Lippstadt blieb St.-Annen-Rosen­garten die einzige katho­lische Gemeinde in Lipp­stadt - bis 1807 ge­mäß dem römischen Staats­kirchen­vertrag von Napoléon auch nebenan die Nicolai­kirche wieder katho­lisch werden musste (am 19. Mai 1807). Das Kloster St.-Annen-Rosen­garten wurde 1813/1815 auf­ge­hoben und das Schwestern­haus und die Kirche wurden ab­ge­rissen. So war dann die Nicolai­kirche die einzige katho­lische Kirche in Lipp­stadt, bis 1901/1902 im Süden die Josefs­kirche ge­baut wurde.

Abschließend ist noch der ge­bürtige Lipp­städter Martin Niemöller (1892-1984) zu nennen, der nach dem Zweiten Welt­krieg die Evan­gelische Kirche in Deutsch­land (EKD) mit­be­gründete, quasi ein Dach­verband für 20 eigen­ständige re­for­mierte Kirchen in Deutsch­land.
Text: Jörg Rosenthal.
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