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Ein aktuelles Foto
Metzgeramtshaus (rechtes Gebäude) von 1662
Zwei alte Fotos
Um 1905, auf dem Platz ein Straßenbrunnen mit Handpumpe, am Haus ein Tor (rechts) anstelle des heutigen Schaufensters


 
Das Metzger-Amt

Das Lippstädter Metzgeramts­haus (wieder­aufge­baut 1662) gilt deutsch­land­weit als ein­zi­ges Ge­bäu­de, das den Rechts­nach­fol­gern einer histo­ri­schen Zunft ge­hört.

2024 wird die Gründung des Metzger­amtes vor 450 Jah­ren ge­fei­ert, denn die äl­teste schrift­liche Satzung der Metzger-Zunft in Lipp­stadt stammt von 1574. Leider wurde das gut ge­hü­tete Ori­ginal­doku­ment 1945 ge­stoh­len und ist seit­dem ver­schol­len.

Im Mittelalter waren Hand­werker in WikipediaZünften orga­ni­siert, zu­nächst als karita­tive Bruder­schaf­ten, später als wirt­schaft­lich-politi­scher Inter­es­sen­verbund.
In Lippstadt ist die Zunft (hier­zu­lande „Amt“ ge­nannt) der Metzger seit über 500 Jah­ren doku­men­tiert. Die Fleisch­hauer­straße, wo die Metzger wohn­ten, trägt ihren Namen seit 1439. In der Dunklen Halle waren die Ver­kaufs­stände der Fleischer, in der Hellen Halle waren die Bäcker (wobei die ältere Helle Halle nach der Fami­lie Helle be­nannt wur­de).

1531 kam es in Lippstadt zu einem Auf­ruhr. Als der alte Stadt­rat wie üblich seine eige­nen Nach­fol­ger wäh­len wollte, em­pörte sich die Gemein­heit und strebte nach Gleich­be­rech­ti­gung. Als Folge der Em­pörung tau­chen in den Rats­listen neue Männer neben den alten auf. Zudem wurde ein Neben­rat ge­bil­det, der den Rat über­wachte (als Kontroll­gremium, Tribunium). Seither wer­den in Schrift­stücken der Stadt die Gemein­heit und die Ämter (Zünfte) erst­mals ge­son­dert ge­nannt.

Die älteste schriftliche Satzung einer Zunft in Lipp­stadt ist von 1560 und ge­hört den Wollen­webern, die Sat­zung des Schmiede­amts ist von 1563, und die des Fleisch­hauer­amtes von 1574. Das Original­dokument mit­samt einer schmu­cken Truhe hat 1945 ein Soldat der Besatzungs­armee als Sou­venir mit­ge­nom­men.

Das Metzgeramt war dafür verant­wort­lich, dass die Bürger jeder­zeit frisches Fleisch kau­fen konn­ten. Weil fri­sches Fleisch nicht lange auf­be­wahrt wer­den konnte, legte das Amt be­stimmte Schlacht­tage fest. Das Fleisch wurde an Fleisch­bänken in den Dunklen Halle ange­bo­ten.

Gemälde
Fleischer-Stand, Maler: Pieter Aertsen, 1551

Wegen fehlender Kühlung wurde im Sommer das Reihen­schlachten ein­ge­führt, d.h. die Metz­ger durf­ten nur nach­ein­ander schlach­ten, wenn der vor­herige Metz­ger sein Fleisch kom­plett ab­ver­kauft hatte.
Die Bürger ver­zehr­ten fri­sches Fleisch meis­tens nur am Sonn­tag, wäh­rend unter der Woche ge­pö­kel­tes Fleisch aus teil­weise eige­ner Schlach­tung ge­ges­sen wurde.

Das Metzgeramtshaus
Ursprünglich besaßen die Zünfte keine eige­nen Gebäude. Vermut­lich hatte das Metzger­amt sein ers­tes Amts­haus nach 1537, eben­falls an der Stelle des heuti­gen Metzger­amts­hauses. Das erste Amts­haus fiel am 25. Juli 1656 dem drit­ten Stadt­brand zum Opfer. Für ein neues, größe­res Amts­haus kauf­ten die Metzger die um­lie­genden Grund­stücke hinzu. Das Geld zum Bau eines neuen Hauses liehen sich die 30 Amts­brüder vom Bürger­meis­ter Klüsener.

1662 war das neue Gebäude fertig­ge­stellt, mit der auf­fälli­gen Über­bauung des Pfades. Im folgen­den Jahr taucht erst­mals der Begriff „Dunkle Halle“ auf. Das Ober­geschoss wurde als Amts­stube und Saal ge­nutzt, die übri­gen Räume wur­den an Amts­brüder ver­mie­tet.

Foto
Amtsstube, 2023, Foto aus Wikipedia: von WikipediaMetzgeramt Lippstadt - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons #136121282.

Anlässlich einer Jubi­lä­ums­schrift wurde nach­gerech­net, dass es im Laufe der Zeit in Summe 414 Amts­mitglie­der ge­geben hatte. Allerdings stamm­ten die Mit­glie­der aus über­wie­gend nur 7 alt­einge­ses­se­nen Fami­lien, die ihre Mit­glied­schaft an ihre Söhne weiter­gaben, nament­lich (in zeit­licher Reihen­folge des ers­ten Ein­tritts) die Fami­lien Gallen­kamp, Sommer­kamp, Brülle, Moder­sohn, Langen­eke, Budde­berg, Deppe. Familie Sommer­kamp stellte im Laufe der Zeit mit 94 Mit­glie­dern die höch­ste An­zahl; die ande­ren Fami­lien halb so viele oder weni­ger.

Um 1800 begann der Einfluss der Zünfte nach­zu­las­sen, dem Stadt­rat sol­len die An­liegen der Zünfte läs­tig ge­wor­den sein. Und 1810 führ­ten die franzö­sisch be­setz­ten Gebiete - so auch Lipp­stadt - die Gewerbe­frei­heit ein, 1811 fol­gte Preußen.
In einem Brief vom 16. Februar 1810 wurde dem Lipp­städ­ter Metzger­amt mitge­teilt, dass seine Zunft hier­mit auf­ge­löst wurde. Man habe 3 Tage später um 8 Uhr mit allen Ur­kun­den vor­stel­lig zu wer­den, damit das Zunft-Eigentum ver­äußert wer­den kann.

Beim öffentlichen Verkauf erwarb Franz Brülle, selbst Mit­glied des bis­heri­gen Metzger­amts, die Liegen­schaf­ten. Den Kauf­preis brauchte er aber nicht zu be­zah­len, da „rein zufäl­lig“ Unter­lagen ge­fun­den wur­den, laut denen das Amt Schulden in glei­cher Höhe bei Brülle hätte.

Brülle ver­pflich­tete sich das Haus sei­nen Amts­brüdern un­ent­gelt­lich für Ver­samm­lun­gen zur Ver­fü­gung zu stel­len. Somit be­ließen die Metz­ger quasi alles beim Alten und ver­sammel­ten sich weiter­hin, nun ledig­lich ohne gesetz­li­chen Rahmen, also als Inte­ressen­verband der Metz­ger. Diese Auf­gabe haben Jahr­zehnte spä­ter die neu ent­stehen­den In­nun­gen über­nom­men.

Das Metzgeramt hatte schon vorher einen Feuer­lösch­dienst ange­boten und ein Spritzen­haus unter­hal­ten. Dies wurde auch nach der Auf­lö­sung der Zunft wei­ter be­trie­ben. Der offi­zielle Name des Metzger­amtes lau­tete des­halb fortan „Metzger-Spritzen­gesell­schaft zu Lipp­stadt“. Im Jahr 1900 wur­den bei der Metzger-Feuer­wehr 32 Aktive ver­zeich­net. Erst mit dem Bau des Wasser­turms 1901 wur­den die WikipediaFeuer­spritzen (Hand­druck­spritzen) nicht mehr be­nötigt.

Das ehemalige Metzgeramt besteht bis heute als Tra­di­tions­verein wei­ter. Das Metzger­amts­haus ver­dankt seine Existenz dem alten Amt, und der heutige Tradi­tions­verein „Lipp­städ­ter Metzger­amt e.V.“ ver­dankt seine Exis­tenz dem alten Amts­haus.

Das Erd­geschoss, wo sich früher Ställe und Schlacht­vorrich­tun­gen be­fan­den, ist heute ver­mie­tet. Aber im Ober­geschoss ist immer noch das Zunft­haus, d.h. im histo­ri­schen Amts­saal fin­den noch immer die Ver­samm­lun­gen und Feier­lich­kei­ten des Vereins statt.


Zusammenfassung: Jörg Rosenthal.
Bitte Kritik, Vorschläge u.ä. per E-Mail ein­senden.

Quellen:
• Buch „Zur Geschichte des Lipp­städ­ter Metzger­amtes“, Helmut Klockow, Adolf Sommerkamp, 1974
damals herausgegeben anläss­lich des 400-jähri­gen Be­stehens.
• Wikipedia: WikipediaMetzgeramt Lippstadt
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