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Straßenkarte
Die ganze "Erlebnis-Achse": das Konzept (2006) für eine Landes­gartenschau in Lippstadt


Gartenschauen

Nach dem Zweiten Weltkrieg trugen Garten­schauen dazu bei, dass Städte ihre Parks wieder her­rich­ten und neue Parks an­legen konn­ten. 1951 wurde erstmals die Bundes­garten­schau (BUGA) in Hannover ver­anstal­tet und war ein An­schub für die Nachkriegs-Stadt­entwick­lung und die Auf­wer­tung öffent­li­cher Räume.

Gartenschauen wurden oft nicht in vorhan­dene, schöne Land­schaften plat­ziert, sondern dort, wo die Garten­schau struktur­fördernd für städte­plane­ri­sche Ziele wir­ken kann. Ergänzend zu den Bundes-Garten­schauen wurden ab den 1970ern auch Landes-Garten­schauen auf Länder­ebene organi­siert, um auch kleine­ren Städten eine Teil­nahme zu er­mög­li­chen.

Die erste ↗NRW-Landes­garten­schau wurde 1970 von Grefrath aus­gerich­tet - in einem damali­gen Sumpf­gebiet, das für die Schau trocken­gelegt wurde.

Foto aus Grefrath 1970 Landesgartenschau Grefrath 1970, Foto: Manfred Wassmann alias BerlinSight • CC BY-SA 3.0

Und z.B. 1984 wurde die LGS in Hamm veran­stal­tet, wo dafür auf dem Gelände der still­geleg­ten Zeche Maxi­milian der Maxi­milian­park ange­legt wurde, mit dem Glas-Elefan­ten als begeh­bares Wahr­zeichen.
Danach folgten z.B. 1988 Rheda-Wieden­brück (2 Mil­lio­nen Be­su­cher), 1994 Pader­born und 2001 Oelde - mit 2,2 Mil­lio­nen Besu­chern in Oelde die erfolg­reich­ste NRW-Landes­garten­schau aller Zeiten. Deren Park hat sogar eine eige­ne Web­seite: ↗Vier-Jahres­zeiten-Park Oelde.

Aufgrund der Schulden im NRW-Haus­halt und bei den Kommu­nen wurde 2002 ent­schie­den, die Garten­schauen nach 2005 auf Eis zu legen. Doch eine neue NRW-Landes­regie­rung hat im Januar 2006 be­schlos­sen, die Durch­füh­rung der Garten­schauen in einem länge­ren 3-Jah­res-Rhyth­mus zwi­schen 2008 und 2017 fort­zuset­zen.

Bewerbung zur Landesgartenschau 2008

Nachdem NRW seinen Kurswechsel im Januar 2006 be­schlos­sen hat, blie­ben nur zwei Jah­re Zeit für alle Vor­berei­tun­gen und Bau­maß­nah­men bis zur Er­öff­nung einer LGS im April 2008. Außerdem wurden ab diesem Jahr die Be­din­gun­gen etwas an­ge­passt, d.h. ab jetzt wurde mehr Bürger­beteili­gung und Nach­haltig­keit ge­for­dert.

Womöglich lag es an dem großen Erfolg der Garten­schau in Oelde von 2001, dass sich sowohl Lipp­stadt als auch Riet­berg für die Idee zur Aus­rich­tung einer LGS be­geis­tern konn­ten. Dass sich aus­ge­rech­net diese bei­den Nachbar­städte als Kon­kur­ren­ten be­wer­ben woll­ten, lag daran, dass beide Städte schon einige Jahre vorher je­weils eine LGS in Be­tracht ge­zogen hatten.

Wie „Der Patriot“ im Februar 2006 in mehre­ren Aus­ga­ben be­rich­tete, zeig­ten sich in Lipp­stadt alle Frak­tio­nen im Stadt­rat grund­sätz­lich offen für eine Be­wer­bung um die Landes­garten­schau 2008. Die CDU sprach von einer „grandio­sen Chance“, die FDP sah in der Garten­schau einen „Impuls gegen die Stagna­tion“, und auch die SPD, die Bürger­gemein­schaft (BG) und die Grünen be­wer­te­ten das Pro­jekt über­wie­gend posi­tiv - wenn auch nicht ohne Vor­behal­te. Es gab Beden­ken wegen der zu gerin­gen Vorbe­rei­tungs­zeit und der Frage, ob Lipp­stadt zwei Groß­ereig­nisse (den Hanse­tag 2007 und eben die LGS 2008) direkt hinter­einan­der stem­men könne. Auch die Finan­zie­rung ist nicht ge­sichert.

Schon 2002 war eine Machbarkeits­studie ange­fertig worden, die Lipp­stadt für eine Landes­garten­schau als gut ge­eig­net ansah. Aber danach pas­sierte nichts weiter, weil NRW die Schauen aus­lau­fen ließ. Doch jetzt, Mitte Fe­bruar 2006, war plötz­lich alles anders: in nur zwei Wochen endet die Bewer­bungs­frist für die Landes­garten­schau 2008. Im Stadt­haus wird fieber­haft an einem Konzept ge­arbei­tet. Der Finanz­ausschuss be­wil­ligte Geld für die Fort­schrei­bung der Mach­bar­keits­studie von 2002, die nun im Rekord­tempo aktua­li­siert werden muss.

Nach Einschätzung von Exper­ten sei Lipp­stadt bestens für die LGS ge­eignet. Die "Erlebnis-Achse" des Konzepts be­ginnt im Westen am Jahn­platz, der im Konzept als Auen­zentrum be­zeich­net ist. Was genau das Auen­zentrum am Jahn­platz hätte sein sollen, geht aus den Zeitungs­berich­ten nicht her­vor. Ob es über­haupt schon konkrete Gestal­tungs­ideen gab, ist unklar. Die "Kultur-Achse" ist die Ver­bin­dung zum Grünen Winkel, dem eigent­li­chen Kern­bereich der an­visier­ten LGS. Die Kultur-Achse ist nicht die Alt­stadt, sondern die Friedrich­straße und der Kastaninen­weg, bzw. die Geh­wege ent­lang des Schiff­fahrts­kanals. Der Grüne Winkel wird im Konzept als "Auen­park" be­zeich­net. Gestal­tungs­vorschläge wur­den in der Zei­tung noch nicht ge­nannt.

Am 23.02.2006 segnete der Lippstäd­ter Stadt­rat das Bewerbungs­konzept ab, mit 38 Ja-Stimmen und 10 Nein-Stimmen. Einen Tag später ent­schied sich auch der Riet­berger Stadt­rat für eine Be­wer­bung zu LGS 2008 und für die Bereit­stel­lung von Finanz­mitteln in Mil­li­onen­höhe. Jetzt also sind die beiden Nach­barn direkte Kon­kur­ren­ten - als die einzi­gen bei­den Be­werber.

Die Bewerbungsunterlagen, eine 45-seitige Bro­schüre, musste in weni­gen Tagen fertig­ge­stellt wer­den und wurde recht­zeitig am 28. Fe­bruar dem zustän­di­gen Umwelt­minis­terium in Düssel­dorf über­geben. Vier Wochen später will das Minis­te­rium eine Kommis­sion schi­cken, um sich das Gelände vor Ort per­sön­lich an­zu­sehen.

Dann der Schreck am 11.03.2006 ... Der Grüne Winkel ist über­flutet! Die Wiesen rund um die Lippe stehen unter Wasser. Was ist, wenn die erwar­te­ten Kommis­sions­mitglie­der Gummi­stiefel brau­chen würden? Und dann nur über­flu­tete Wiesen sehen könn­ten? Der Ab­teilungs­leiter beim Staat­li­chen Umwelt­amt dazu: „Der Grüne Winkel ist halt Über­schwem­mungs­gebiet und steht rela­tiv schnell unter Wasser“.
Zwischenzeitlich hat auch die Lipp­städ­ter Politik er­kannt, dass es deut­liche Vorbe­halte beim Thema LGS gibt und es offen­bar mehr offene Fragen als Ant­wor­ten gibt.


Die Entscheidung

Als die Fachleute aus Düssel­dorf am 27. März 2006 von Ver­tre­tern der Stadt Lipp­stadt durch den Grünen Winkel und durch die Stadt ge­führt wur­den, schien die Sonne. Doch das Thema Hochwasser wurde an­ge­spro­chen, wie auch andere Be­fürch­tun­gen der Kommis­sion. Am folgen­den Tag be­suchte die Kom­mis­sion den Mit­bewer­ber Riet­berg.

Ihre Entscheidung zur Standort­wahl gaben die Düssel­dorfer wenige Tage später am 3. April 2006 be­kannt: Der Zu­schlag für die Landes­garten­schau 2008 geht an die Stadt Riet­berg. Eine Riesen­enttäu­schung für Lipp­stadt, aber große Freude beim Mit­bewer­ber.

„Die Bewertungskommission schlägt ein­stim­mig die Stadt Riet­berg für die Aus­rich­tung der Landes­garten­schau 2008 vor.“ Dieses Votum ist bitter für Lipp­stadt. Der NRW-Umwelt­minister be­gründet die Ent­schei­dung damit, dass in der Lippe­aue ein nicht zu unter­schät­zen­des Hoch­wasser­risiko be­stehe. Das mache die Ein­hal­tung der knap­pen Bau­zeit auch bei bester Planung und Vor­berei­tung nicht voll­stän­dig be­herrsch­bar.

Bei der Entscheidung für Rietberg sei der Zeit­faktor ein wesent­liches Krite­rium ge­wesen. Der Vor­sit­zende lobt: „Rietberg hat sich seit Jah­ren konse­quent auf eine Landes­garten­schau vor­berei­tet. Die Präsen­ta­tion war vor­bild­lich, die Flächen sind durch Vor­verträge ge­sichert und ein Verkehrs­konzept für die Landes­garten­schau wurde auch schon er­stellt".

In Lippstadt hat es der Kommis­sion zudem nicht ge­fal­len, dass der Grüne Winkel als Kern­bereich vor­ge­sehen ist. „Es wird [...] ange­merkt, dass die zentra­len Aus­stel­lungs- und Kern­flächen durch­aus auch im Bereich des Jahn­platzes tempo­rär ohne er­heb­liche Ein­griffe in Natur und Land­schaft reali­sier­bar wären“, steht im Proto­koll. Die Kommis­sion ist der Mei­nung, dass die Be­wer­bung der Stadt Lipp­stadt ein bis zwei Jahre zu früh ge­kom­men ist. „Es ergeht daher die Emp­feh­lung an die Stadt Lipp­stadt, sich zu einem späte­ren Zeit­punkt (2014?) er­neut für eine Landes­garten­schau zu be­wer­ben.“


Text: Jörg Rosenthal, 2025.
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