![]() Die ganze "Erlebnis-Achse": das Konzept (2006) für eine Landesgartenschau in Lippstadt |
Gartenschauen wurden oft nicht in vorhandene, schöne Landschaften platziert, sondern dort, wo die Gartenschau strukturfördernd für städteplanerische Ziele wirken kann. Ergänzend zu den Bundes-Gartenschauen wurden ab den 1970ern auch Landes-Gartenschauen auf Länderebene organisiert, um auch kleineren Städten eine Teilnahme zu ermöglichen.
Die erste ↗NRW-Landesgartenschau wurde 1970 von Grefrath ausgerichtet - in einem damaligen Sumpfgebiet, das für die Schau trockengelegt wurde.
Und z.B. 1984 wurde die LGS in Hamm veranstaltet, wo dafür auf dem Gelände der stillgelegten Zeche Maximilian
der Maximilianpark angelegt wurde, mit dem Glas-Elefanten als begehbares Wahrzeichen.
Danach folgten z.B. 1988 Rheda-Wiedenbrück (2 Millionen Besucher), 1994 Paderborn und 2001 Oelde - mit 2,2 Millionen Besuchern
in Oelde die erfolgreichste NRW-Landesgartenschau aller Zeiten.
Deren Park hat sogar eine eigene Webseite: ↗Vier-Jahreszeiten-Park Oelde.
Womöglich lag es an dem großen Erfolg der Gartenschau in Oelde von 2001, dass sich sowohl Lippstadt als auch Rietberg für die Idee zur Ausrichtung einer LGS begeistern konnten. Dass sich ausgerechnet diese beiden Nachbarstädte als Konkurrenten bewerben wollten, lag daran, dass beide Städte schon einige Jahre vorher jeweils eine LGS in Betracht gezogen hatten.
Wie „Der Patriot“ im Februar 2006 in mehreren Ausgaben berichtete, zeigten sich in Lippstadt alle Fraktionen im Stadtrat grundsätzlich offen für eine Bewerbung um die Landesgartenschau 2008. Die CDU sprach von einer „grandiosen Chance“, die FDP sah in der Gartenschau einen „Impuls gegen die Stagnation“, und auch die SPD, die Bürgergemeinschaft (BG) und die Grünen bewerteten das Projekt überwiegend positiv - wenn auch nicht ohne Vorbehalte. Es gab Bedenken wegen der zu geringen Vorbereitungszeit und der Frage, ob Lippstadt zwei Großereignisse (den Hansetag 2007 und eben die LGS 2008) direkt hintereinander stemmen könne. Auch die Finanzierung ist nicht gesichert.
Schon 2002 war eine Machbarkeitsstudie angefertig worden, die Lippstadt für eine Landesgartenschau als gut geeignet ansah. Aber danach passierte nichts weiter, weil NRW die Schauen auslaufen ließ. Doch jetzt, Mitte Februar 2006, war plötzlich alles anders: in nur zwei Wochen endet die Bewerbungsfrist für die Landesgartenschau 2008. Im Stadthaus wird fieberhaft an einem Konzept gearbeitet. Der Finanzausschuss bewilligte Geld für die Fortschreibung der Machbarkeitsstudie von 2002, die nun im Rekordtempo aktualisiert werden muss.
Nach Einschätzung von Experten sei Lippstadt bestens für die LGS geeignet. Die "Erlebnis-Achse" des Konzepts beginnt im Westen am Jahnplatz, der im Konzept als Auenzentrum bezeichnet ist. Was genau das Auenzentrum am Jahnplatz hätte sein sollen, geht aus den Zeitungsberichten nicht hervor. Ob es überhaupt schon konkrete Gestaltungsideen gab, ist unklar. Die "Kultur-Achse" ist die Verbindung zum Grünen Winkel, dem eigentlichen Kernbereich der anvisierten LGS. Die Kultur-Achse ist nicht die Altstadt, sondern die Friedrichstraße und der Kastaninenweg, bzw. die Gehwege entlang des Schifffahrtskanals. Der Grüne Winkel wird im Konzept als "Auenpark" bezeichnet. Gestaltungsvorschläge wurden in der Zeitung noch nicht genannt.
Am 23.02.2006 segnete der Lippstädter Stadtrat das Bewerbungskonzept ab, mit 38 Ja-Stimmen und 10 Nein-Stimmen. Einen Tag später entschied sich auch der Rietberger Stadtrat für eine Bewerbung zu LGS 2008 und für die Bereitstellung von Finanzmitteln in Millionenhöhe. Jetzt also sind die beiden Nachbarn direkte Konkurrenten - als die einzigen beiden Bewerber.
Die Bewerbungsunterlagen, eine 45-seitige Broschüre, musste in wenigen Tagen fertiggestellt werden und wurde rechtzeitig am 28. Februar dem zuständigen Umweltministerium in Düsseldorf übergeben. Vier Wochen später will das Ministerium eine Kommission schicken, um sich das Gelände vor Ort persönlich anzusehen.
Dann der Schreck am 11.03.2006 ... Der Grüne Winkel ist überflutet!
Die Wiesen rund um die Lippe stehen unter Wasser. Was ist, wenn die erwarteten Kommissionsmitglieder Gummistiefel brauchen würden?
Und dann nur überflutete Wiesen sehen könnten?
Der Abteilungsleiter beim Staatlichen Umweltamt dazu:
„Der Grüne Winkel ist halt Überschwemmungsgebiet und steht relativ schnell unter Wasser“.
Zwischenzeitlich hat auch die Lippstädter Politik erkannt, dass es deutliche Vorbehalte beim Thema LGS gibt
und es offenbar mehr offene Fragen als Antworten gibt.
Ihre Entscheidung zur Standortwahl gaben die Düsseldorfer wenige Tage später am 3. April 2006 bekannt: Der Zuschlag für die Landesgartenschau 2008 geht an die Stadt Rietberg. Eine Riesenenttäuschung für Lippstadt, aber große Freude beim Mitbewerber.
„Die Bewertungskommission schlägt einstimmig die Stadt Rietberg für die Ausrichtung der Landesgartenschau 2008 vor.“ Dieses Votum ist bitter für Lippstadt. Der NRW-Umweltminister begründet die Entscheidung damit, dass in der Lippeaue ein nicht zu unterschätzendes Hochwasserrisiko bestehe. Das mache die Einhaltung der knappen Bauzeit auch bei bester Planung und Vorbereitung nicht vollständig beherrschbar.
Bei der Entscheidung für Rietberg sei der Zeitfaktor ein wesentliches Kriterium gewesen. Der Vorsitzende lobt: „Rietberg hat sich seit Jahren konsequent auf eine Landesgartenschau vorbereitet. Die Präsentation war vorbildlich, die Flächen sind durch Vorverträge gesichert und ein Verkehrskonzept für die Landesgartenschau wurde auch schon erstellt".
In Lippstadt hat es der Kommission zudem nicht gefallen, dass der Grüne Winkel als Kernbereich vorgesehen ist. „Es wird [...] angemerkt, dass die zentralen Ausstellungs- und Kernflächen durchaus auch im Bereich des Jahnplatzes temporär ohne erhebliche Eingriffe in Natur und Landschaft realisierbar wären“, steht im Protokoll. Die Kommission ist der Meinung, dass die Bewerbung der Stadt Lippstadt ein bis zwei Jahre zu früh gekommen ist. „Es ergeht daher die Empfehlung an die Stadt Lippstadt, sich zu einem späteren Zeitpunkt (2014?) erneut für eine Landesgartenschau zu bewerben.“