Vor 200 Jahren entstand der Kreis Lippstadt
(1817 bis Ende 1974)
Sichtbarstes Zeichen eines Landkreises sind heutzutage die Autokennzeichen.
Denn Kfz-Zulassungen sind nicht Aufgabe einer Stadtverwaltung oder des Landes, sondern der Kreise.
Die Kreise wurden geschaffen, um sich um Dinge zu kümmern, um die sich kleine Gemeinden nicht selber kümmern können.
Fast wäre 1817 anstelle des Kreises Lippstadt der Landkreis Erwitte eingerichtet worden, denn für das Kreisgebiet lag Lippstadt nicht zentral genug.
Denn alle Einwohner eines Kreises sollten das Landratsamt (Kreisbüro) ohne Übernachtung erreichen können - was 1817 ohne Auto und Bahn noch nicht so einfach war.
Zur Unterteilung des Königreichs Preußen in Regierungsbezirke und Landkreise war es gekommen, nachdem Napoléon 1813 bei der Völkerschlacht bei Leipzig
endgültig geschlagen worden war. Preußen erhielt dadurch große Gebietszuwächse (Beschluss vom Wiener Kongress 1815)
und gliederte daraufhin sein erweitertes Staatsgebiet neu: in Provinzen (z.B. Provinz Westfalen), Regierungsbezirke und Kreise.
Ursprünglich sollte Lippstadt nicht dem Regierungsbezirk Arnsberg zugeteilt werden, sondern dem Regierungsbezirk Minden.
Dagegen verwahrten sich die Vertreter der Stadt Lippstadt mit Entschiedenheit - und so kam Lippstadt doch zum Regierungsbezirk Arnsberg (1816)
und wurde mit Sondererlaubnis des preußischen Königs zur Kreisstadt (1817).
Bei den Kreisgründungen wurde oft der größte Grundbesitzer im Kreisgebiet zum Landrat ernannt.
So wurde für den Kreis Lippstadt der größte Grundbesitzer Engelbert von Hörde zum ersten Landrat, Besitzer von Schloss Schwarzenraben.
Die Aufgabe der Landräte war „auf alles, was in ihrem Kreis vorgeht, Acht haben und sich von allem und jedem Notiz verschaffen“.
Um die Kosten gering zu halten und in Ermangelung an Personal, sollten die Landräte sich „vor unnützen Schreibereien hüten
und den Geschäftsverkehr soviel als möglich mündlich betreiben“ - heutzutage unvorstellbar, z.B. bei der Kreisbehörde Soest mit ihren aktuell 1.200 Mitarbeitern.
Die Aufgabe der Kreise war und ist es, sich um die Dinge zu kümmern, um die sich die Gemeinden nicht selber kümmern können,
z.B. die 57 Gemeinden im Altkreis Lippstadt und 107 Gemeinden im Altkreis Soest.
Es sollte sich um Militärangelegenheiten gekümmert werden, das Schulwesen gefördert, Wege beaufsichtigt, Infrastruktur entwickelt und die Armen versorgt werden.
Heutzutage finden sich Entsprechungen, z.B. die Kreispolizeibehörde, das Straßenverkehrsamt,
die Müllentsorgung (z.B. ESG Soest mit 58% Stammkapital vom Kreis), Bauaufsicht, Berufsschulen, Sozial- und Jugendhilfe.
Interessanterweise gehörten Lipperode und Cappel ursprünglich weder zur Stadt Lippstadt noch zum Kreis Lippstadt, denn sie waren damals Exklaven
des Fürstentums Lippe und gehörten deshalb zum Kreis Detmold. Der Verwaltungssitz des Amts Lipperode-Cappel war im
Stift Cappel.
Erst 1949 wurden Lipperode und Cappel aus dem Kreis Detmold herausgelöst und dem Kreis Lippstadt zugeschlagen.
Und erst 1975 wurden diese amtsfreien Gemeinden zu Lippstadts Ortsteilen.
1947 wurde der Freistaat Preußen von den Alliierten aufgelöst. Schon im Vorjahr war die preußische Provinz Westfalen von den Briten aufgelöst worden.
Im 1946 von den Briten gegründeten Land Nordrhein-Westfalen wurden die Regierungsbezirke und Landkreise beibehalten.
Dabei kam es in NRW zu einer Besonderheit, denn hier gibt es die Kreispolizei, hingegen in anderen Bundesländern eine Landespolizei - die dann statt in Kreise in Direktionen unterteilt ist.
In der NRW-Gebietsreform (1966-1975) wurde der Kreis Lippstadt zum 01.01.1975 aufgelöst und in den bestehenden Kreis Soest integriert.
Bereits zwei Jahre zuvor war der Kreis Beckum im Kreis Warendorf aufgegangen, und der Kreis Wiedenbrück im neuen Kreis Gütersloh.
1975 wurden zudem die heutigen Lippstädter Ortsteile in die Stadt Lippstadt eingemeindet
(
Münster/Hamm-Gesetz).
PS: Die Vorläufer von Landkreisen waren Kantone. Von 1733 bis 1813 war das Königreich Preußen in Kantone gegliedert.
Die Kantone hatten jedoch noch keine allgemeinen Verwaltungsaufgaben, sondern dienten dazu Rekruten für das Militär einzuziehen.
Ein preußischer Kanton umfasste etwa 5.000 Feuerstellen (Haushalte), aus denen Rekruten für ein Infanterie-Regiment eingezogen wurden (ein Regiment pro Kanton).
Zu den Aufgaben der Landkreise ab 1817 gehörten ebenfalls die Militärangelegenheiten.
Text: Jörg Rosenthal.
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