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Unabhängig von den Kinderheimen wurden außerhalb der Städte auch Erholungsheime für Kinderkuren eingerichtet (Kinderverschickung ins Kinderkurheim), die für schwächliche oder kränkliche Kinder aus regulären Familien gedacht waren.
Wer zur folgenden Liste Ergänzungen oder Anmerkungen hat, bitte gerne per E-Mail bei mir melden.
Das Josefskinderheim war zuletzt für 90 Kinder ausgelegt, mit Nähschule, und wurde von Vinzentinerinnen geführt. In all den Jahrzehnten seines Bestehens wurde das Kinderheim kaum in der Tageszeitung erwähnt.
Erst 2009 schrieb ein ehemaliges Heimkind, die 1947 als zweijähriges Mädchen zusammen mit ihren Geschwistern von Amts wegen in das Josefskinderheim eingewiesen wurde, über ihre sehr schlimmen Erlebnisse dort. Sie blieb bis zu ihrem 14. Lebensjahr im Josefskinderheim in Lippstadt, wurde dann nach Dortmund verlegt - bis zu ihrer Entlassung im 20. Lebensjahr. Ihr schockierender Bericht wurde auf der Webseite des Vereins ehemaliger Heimkinder e.V. veröffentlicht: ↗Bericht.
Das Josefskinderheim wurde 1971 aus Personalmangel aufgelöst. Der Patriot titelte am 07.12.1971: „Schwestern verlassen Josefs-Kinderheim nach über 100 Jahren“. Im Artikel: „Das Mutterhaus der Vinzentinerinnen in Paderborn sah sich gezwungen, seine Schwestern in andere Häuser zu holen, da kein Nachwuchs da ist.“ Der Text lobte die Schwestern: „Jahrzehntelang wirkten sie zum Segen der Kinder ... und vertraten in liebevoller und selbstloser Weise die Mutter“.
Nebenan im Katholischen Krankenhaus wurden 1986 auch die letzten Ordensschwestern aus dem Krankenhaus abgezogen. Der Patriot vom 01.03.1986 titelt: „Schwestern verlassen Lippstadt nach 130 Jahren“. Mitte der 1970er Jahre waren knapp 30 Vinzentinerinnen im Krankenhaus im Einsatz, 1986 waren es nur noch 15, viele von ihnen über 70 Jahre alt.Die ↗Hedwigschwestern hatten ursprünglich ab 1859 ein großes Kinderheim für 400 „Insassen“ in Breslau betrieben, in der preußischen Provinz Niederschlesien. Die Odyssee der Hedwigschwestern begann 1947, als Breslau wieder polnisch wurde und sie von dort vertrieben wurden.
Über die Zeit auf Schloss Körtlinghausen schreibt sogar die eigenwerbliche ↗Jubiläumsschrift der Caritas: „Der Erziehungsstil sei hart gewesen ... Schläge waren an der Tagesordnung.“
Wir haben nicht nur in der Küche gearbeitet, sondern waren auch hauptsächlich in den verschiedenen Kindergruppen. Dort habe ich so viel erlebt, dass ich heute oft noch Alpträume habe und schweißnass aufwache, und das obwohl ich keines der armen Kinder dort war.
Natürlich weiß ich, dass in den 1950ern und 60ern auch in den Familien strenger erzogen wurde als heute und damals ganz andere Kriterien herrschten. Zucht und Ordnung - vor allem Unterordnung waren die Erziehungsziele. Doch was mich so geschockt hat, war die Tatsache, dass es einzelne Ordensschwestern waren, die die Kinder quälten. Es waren nicht alle Nonnen schlecht, aber leider hatten einige wenige wirklich „Haare auf den Zähnen“.
Von zwei Begebenheiten möchte ich hier berichten: Bettnässer waren natürlich nicht gern gesehen und um ihnen das abzugewöhnen, mussten sie dann morgens die "Bückeburger Tracht" anziehen und sich im langen Flur damit aufstellen. Die "Bückeburger Tracht" war so: das betreffende Kind wurde in die nasse Bettwäsche eingewickelt und bekam den nassen Kissenbezug auf den Kopf. Dann musste es im Flur stehen und alle anderen vorbeikommenden Kinder durften ihren Spott mit dem armen Kind treiben und es auch anspucken.
Eine weitere Strafe für Kinder, die Abend nicht still in ihren Betten lagen war, dass sie mit ausgebreiteten Armen im Flur stehen mussten - und wehe, sie ließen die Arme vor Erschöpfung mal sinken, dann bekamen sie Schlimmeres zu spüren.
Und es gab sehr viele Denunzianten. Das habe selbst ich mal schmerzlich zu spüren bekommen. Die "Mutter Oberin" rief meine Eltern und meine beiden Tanten, die auch Nonnen waren, zu sich, um ihnen über meine Schandtat zu berichten und mich aus dem Lehrvertrag zu entlassen. Ich wäre ein fauler Apfel, der die anderen anstecken würde, meinte sie, und ein fauler Apfel müsse rechtzeitig entfernt werden.
Meine "Schandtat" war: ich hatte mir am Kiosk ein Witzeheft „3x kurz gelacht“ gekauft. In dem Witzeheft waren Komikfiguren, die nicht ordentlich angezogen waren. Also keine Nackten, nicht mal oben ohne, aber halt sehr freizügig gekleidete Frauen. Meine Eltern und Tanten fanden, dass ein Rauswurf eine übertriebene Reaktion auf meine Tat war und konnten, nachdem ich Abbitte geleistet hatte, die Nonne davon überzeugen, mich meine Lehre noch zu Ende machen zu lassen.
Ein Positives hatte das Ganze dann doch noch: Der Wunsch auch Nonne zu werden, war verschwunden. Und das war die beste Entscheidung meines Lebens, denn ich habe meinen lieben Mann kennengelernt und wir sind nun schon 53 Jahre verheiratet.
Die Ausbildungszeit im Hedwigsheim war wirklich eine sehr traumatische Zeit. Zum einen, weil ich immer sehr viel Heimweh hatte und nur alle 4 Wochen, das 2. freie Wochenende, nach Hause durfte, zum anderen weil ich dort fast völlig von der Außenwelt abgeschottet war und weder Fernsehen, Radio noch Tageszeitung zur Verfügung hatte.
In meiner Familie waren zwei Nonnen im Orden der Franziskusschwestern der Familienpflege.
Die älteste war Jahrgang 1895 und hieß Josepha, die jüngere hieß Katharina und war Jahrgang 1902,
also etwas jünger als ihr Bruder, mein Vater Martin, der 1900 geboren war.
Katharina ist mit Genehmigung des Bischofs von Galen ca. 1940 aus dem Kloster ausgetreten
und war daraufhin in Lippstadt als erste ambulante Krankenschwester tätig.
Bis über 80 Jahre fuhr sie mit dem Fahrrad zu ihren zahlreichen Patienten und versorgte sie.
Zu ihrem 80. Geburtstag war auch ein Artikel mit Foto von ihr im Patriot. Ich liebte diese beiden Tanten sehr,
denn sie waren beide die liebenswertesten Menschen, die ich kennengelernt hatte und taten viel Gutes.
Dabei waren sie immer fröhlich, freundlich und liebevoll zu allen Menschen. Deshalb hatte ich in Erwägung gezogen auch Ordensschwester in diesem Orden zu werden. Als ich dann aber das wirkliche Ordensleben im Kinderheim St. Hedwig kennengelernt hatte, wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass ich nie wieder einen Fuß in ein von Nonnen geleitetes Haus setzen würde. Das habe ich auch bis zur Beerdigung meiner Tante Josepha in Jahr 1983 gehalten. Die Beerdigung war im Mutterhaus in Bottrop.
Ich hatte damals im Rahmen meiner Therapie oft überlegt, ob ich noch einmal ins Hedwigsheim zurückkehren sollte, um all die Dinge zu verarbeiten, die ich erlebt hatte und auch um Fragen nach dem Warum zu stellen. Habe es immer wieder aufgeschoben. Habe gedacht, es sei noch lange Zeit dazu und dann war die Oberin Sr. Ambrosia tot und ich konnte sie nicht mehr fragen.
Allerdings muss ich zu meinem Aufenthalt dort auch sagen, dass es auch etliche sehr liebe und gute Schwestern gab. Ich erinnere mich an die sehr beleibte Küchenschwester Proklar, die mich so oft getröstet und in den Arm genommen hatte, wenn ich wieder Heimweh hatte. Ich erinnere mich mit großer Liebe auch an Sr. Lucia, die im Büro der „Mutter Oberin“ arbeitete und die für uns Lehrlinge zuständig war. Sie hat uns die ersten Wege bis zur Berufsschule begleitet, hat mit uns Theaterstücke eingeübt, gebastelt und versucht, mir das Gitarrespielen beizubringen. Sie hatte immer ein offenes Ohr für uns. Auch viele der älteren Schwestern waren sehr gutmütig, sanft und mitfühlend. Anders als die Schwestern, die die Kindergruppen leiteten.
Da war Sr. Cäcilia, die die kleinen Mädchen betreute und auch noch ganz nett war. Dann war die sehr strenge Sr. Hieronyma, die die mittleren Mädchen unter sich hatte. Sie war gleichzeitig auch Krankenschwester und wenn wir Lehrlinge ein „Wehwehchen“ hatten, war sie auch für uns zuständig.
Die großen Mädchen betreute Sr. Angela. Für die kleinen Jungen war Sr. Libori zuständig. Sie kam gebürtig aus dem näheren Umfeld von Lippstadt. Für die mittleren Jungen war Sr. Fides zuständig. Bei ihr in der Kindergruppe habe ich meine Erfahrungen gemacht. Sie hatte wirklich „Haare auf den Zähnen“. Die großen Jungen betreute Sr. Bertranda. Wir Lehrlinge wurden aber nie bei den großen Jungen und großen Mädchen eingesetzt, nur bei den Kleinen und Mittleren.
Dem Kinderheim war auch eine Schule - die Hedwigschule angegliedert. In ihr gingen auch Kinder von außerhalb, die in anderen Schulen auffällig geworden waren. Das Josefskinderheim kannte ich als Waisenhaus, in unmittelbarer Nähe zum Dreifaltigkeitshospital. Über die schlimmen Zustände dort hörte ich von meiner Tante Maria, die Jahrgang 1898 war. Zu ihr bin ich dann ja 1969 nach Dortmund gezogen. Sie erzählte mir viel über die schlimmen Zustände dort.
Da sie keine Kinder bekommen konnte, hat sie sich von dort einen kleinen Jungen geholt. Er hieß Karl-Heinz und kam mit ca. 4 Jahren zu ihr. Leider hatte das Geld nie für eine Adoption gereicht, aber er bleib von da an dauerhaft bei ihr - und ist später Berufssoldat geworden. Als Oberregierungsrat hat er dann später geheiratet und bekam zwei liebe Söhne.
Da ich über die Zustände im Josefshaus aber nur durch „Hörensagen“ weiß und nicht beurteilen kann, was davon wirklich stimmt, schreibe ich nichts darüber. Aber alles, was ich im Hedwigskinderheim erlebt habe, entspricht der Wahrheit.Ab dem Hochmittelalter wurden in Großstädten die ersten Hospitäler und Armenhäuser gegründet. Diese nahmen neben Kranken und Alten vereinzelt auch Waisenkinder auf. Auch in Klöstern wurde sich um verlassene Kinder gekümmert, aber auch dort wurden Kinder früh zur Arbeit herangezogen - und in religiöser Strenge erzogen.
Ab dem 16. Jahrhundert wurden in größeren Städten die ersten Waisenhäuser eingerichtet. Es herrschte Disziplin, religiöse Erziehung und Arbeitspflicht - teilweise als Zwangsarbeit in Manufakturen. Für Jungs bestand die Möglichkeit einem (Handwerks-)Meister übergeben zu werden, wo jahrelange Arbeit für Ausbildung, Verpflegung und Unterkunft zu leisten war.
Durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert wuchsen die Städte, die Stadtbevölkerung und die Armut. Das führte zu einem massiven Anstieg von Heimkindern. Die Waisenhäuser wurden größer, teils kasernenartig organisiert. Weil den Städten das Geld fehlte, waren die Heime selber arm und wurden autoritär und repressiv geführt.
Bis weit ins 19. Jahrhundert gab es keine staatlichen Gesundheitssysteme. Die Kirchen und Klöster füllten diese Lücke und gründeten selber Krankenhäuser und Kinderheime. Klöster schickten ihre Ordensschwestern als Pflegekräfte - auch noch im 20. Jahrhundert. Und so gab es bis in die 1950er Jahre noch keine staatlichen Pflege- oder Erziehungs-Berufe, stattdessen wurden diese Aufgaben von den Ordensschwestern (umgangssprachlich Nonnen) übernommen.
Die Pflege und Erziehung war keine bezahlte Tätigkeit, sondern ein Ausdruck religiöser Berufung und christlicher Nächstenliebe.
Die Schwestern waren Vinzentinerinnen oder Franziskanerinnen und wurden von ihren Ordensgemeinschaften versorgt.
Das erste Krankenpflegegesetz in der BRD trat 1957 in Kraft, worin erstmals die Berufsausbildung geregelt wurde.
Gleiches gilt für Erzieher/innen durch NRW-Landesgesetze ab den 50er Jahren.
Der gewalttätige Erziehungsstil bis zu jener Zeit hatte religiöse, ideologische und weitere Gründe. Im Katholizismus galten Kinder als „von Natur aus sündig“ und mussten zur Tugend und Gottesfurcht erzogen werden – mit Strenge und notfalls mit Strafe. Zudem galt Armut als selbstverschuldet. Die Armut der Eltern konnte als Zeichen für mangelnden Fleiß, ein sündiges und nicht gottgefälliges Leben gedeutet werden. Kinder aus armen Familien wurden in Heimen möglicherweise hart angefasst, so als müsste man ihnen ihre Herkunft austreiben und sie dafür bestrafen („Du bist ja wie deine Mutter“).
Preußen und später das Deutsche Kaiserreich waren stark hierarchisch organisiert. Deshalb wurde bei der Erziehung sehr auf Unterordnung, Gehorsam und Disziplin geachtet. Dies galt als Grundpfeiler einer funktionierenden Gesellschaft. In Schulen und Heimen wurde diese Anschauung institutionalisiert, indem man auf Angst, Strafe und Kontrolle setzte. Autoritäre Erziehung war in der Gesellschaft akzeptiert.
Es gab aber auch weitere Gründe für die aggressive Strenge. Kinderheime waren finanziell chronisch unterversorgt, d.h. es wurden alte Gebäude genutzt, die wahrscheinlich in einem schlechten Zustand waren und es fehlte an benötigter Ausstattung. Der materielle Mangel macht unzufrieden und führte auch dazu, dass Kinder schon bei kleinen Missgeschicken im Umgang mit Materialien ungewöhnlich hart bestraft wurden.
Außerdem war der Betreuungsschlüssel schlecht, d.h. eine Ordensschwester musste sich z.B. um 30 oder zeitweise bis zu 50 Kinder kümmern.
Zudem war die Ausbildung der Schwestern recht kurz. Das Noviziat dauerte nur zwei Jahre, wobei das letzte Jahr aus Praktika bestand.
Nach heutigen Maßstäben war die Ausbildung in Psychologie und Pädagogik wohl unzureichend.
Bei all dem zusammen, dem damaligen Zeitgeist und den schlechten Voraussetzungen, war ein liebevoller Umgang mit Heimkindern kaum zu erwarten.
Dass sich der strenge Stil bis in die 1970er Jahre fortgesetzt hat, lag wohl daran, dass die letzten Ordensschwestern
und Verantwortlichen noch in der Kaiserzeit um 1900 aufgewachsen waren.
Heimkampagne: Als eine der ersten prangerte die Journalistin Ulrike Meinhof 1965 die schlechte Situation von Kindern in Heimen an. Sie schrieb Artikel und produzierte Radiosendungen, sogar einen Film, weil die Situation von Heimkindern bisher in deutschen Medien noch nicht thematisiert worden war. Ihre Recherchen trugen zu ihrer Politisierung bei. Sie sah solche Missstände (auch in ganz anderen gesellschaftlichen Bereichen) nicht als Einzelfälle, sondern als Ausdruck systemischer Gewalt in der BRD. 1970 wurde sie Mitbegründerin der linksextremistischen RAF. Sie starb 1976 in ihrer Gefängniszelle.
Der gesellschaftliche Wandel im 20. Jahrhundert führte dazu, dass immer weniger Frauen bereit waren, ein Leben in einem christlichen Orden zu führen. Die Ordensgemeinschaften überalterten, viele Schwestern schieden altersbedingt aus dem Dienst aus. Und viele Krankenhäuser wurden in öffentliche oder private Trägerschaft überführt und fusionierten. Es entstanden klare Berufsprofile, Tarifverträge und arbeitsrechtliche Vorschriften, die mit der Arbeit der Ordensschwestern nicht mehr vereinbar waren. Die Orden schrumpften und zogen ihre verbliebenen Schwestern in die eigenen Häuser des Ordens ab.
2006 belegte das Buch „Schläge im Namen des Herrn“ den großangelegten Missbrauch von Heimkindern in Westdeutschland zwischen 1945 und 1970. Laut dem Autor begann die Aufklärung darüber mit der „Heimkampagne“ (s.o.), die langfristig zur Beendigung dieser Zustände führte.Leider hat das Mästen dort nie was gebracht. Ich hatte immer so viel Heimweh und habe nur geweint. Die Qualen die ich dort erlitten habe, waren für mich unbeschreiblich. Wenn wir den Teller nicht leer gegessen hatten, mussten wir so lange sitzen bleiben, bis er leer war - und wenn wir ihn erbrochen hatten, weil's einfach zu viel für den kleinen Magen war, mussten wir das Erbrochene auch wieder aufessen. Von einem Apfel dürfte nur der Stil übrig bleiben. Alles andere musste mitgegessen werden.
Jeden Tag Mittagschlaf und wer nicht zugenommen hatte, wie ich, durfte gar nicht mehr raus zum Spielen. Ich hatte vieles verdrängt, aber im Rahmen einer Psychotherapie habe ich die ganzen Ereignisse dann später aufgearbeitet.
Um 1900 gab es bereits systematisch organisierte Kinderkuren, gefördert durch Stadtverwaltungen und Krankenkassen. Im Kaiserreich war die Kur vielfach Ausdruck von Disziplinierungsidealen: Gesunde, kräftige und „ordnungsliebende“ Kinder galten als Ziel.
Als z.B. 1918 der Bischof von Paderborn ein Kurheim in Bad Sassendorf bauen lassen wollte, wurde im Patriot folgende Begründung angegeben: "Die lange Dauer des Krieges mit den sich mehrenden Ernährungsschwierigkeiten hat leider, wie jeder weiß, auf den Gesundheitszustand zahlreicher Kinder, besonders in den Städten und Industrieorten, sehr nachteilig gewirkt. Wie uns das Bischöfliche Generalvikariat in Paderborn mitteilt, gibt es schon ein Heer von kränklichen, schwächlichen und unterernährten Kindern. Es ist sowohl vaterländische, wie christliche Pflicht, daß wir sie vor gänzlichem Siechtum bewahren. Staat und Kirche sind infolge der schweren blutigen Verluste mehr denn je auf einen gesunden, kräftigen Nachwuchs angewiesen. Die bisherigen Erfahrungen in Kinderheilanstalten haben gezeigt, daß der Kurgebrauch in solchen Heimen oft das einzige Mittel zur Wiederherstellung der Gesundheit ist."
In der Nachkriegszeit wurde in der BRD von den 1950er bis 80er Jahren wieder Kinderverschickung angeboten.
Aus ↗Wikipedia:
"In vielen Verschickungsheimen herrschte über lange Zeit ein strenger, vereinzelt noch von der NS-Ideologie geprägter Umgang mit den Kindern.
Er war unter anderem von Johanna Haarer in ihrem Buch "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" (1934 bis 1987 verkauft) propagiert worden.
Dazu gehörten Erprügeln von Gehorsam, strenge Sauberkeitsforderungen, körperlicher Zwang und das Diktat der Uhr.
Psychische und körperliche Gewalt wurde von den Kindern erlitten.
Zur Verschleierung der Umstände mussten viele Kinder vorgegebene Texte von einer Tafel auf Postkarten abschreiben, die dann an die Eltern nach Hause geschickt wurden."
Weiter aus Wikipedia: "Eine Auseinandersetzung mit traumatischen Erlebnissen in den Kurheimen fand lange Zeit nur in Einzelfallschilderungen statt [...] 2017 legte eine Radioreportage negative Zustände in vielen Kinderkurheimen der 1950er bis 1970er Jahre offen. Betroffene berichteten darin von Zwangsernährung, Gewalt, Isolationsstrafen und auch sexuellem Missbrauch in Einrichtungen der Diakonie, des Bundesbahnsozialwerks, privater Träger [...] Der Beitrag verweist auch auf die zahlreichen Berichte im Internet, in denen Betroffene die Verschickungsheime als „brutale Zuchtanstalten“ beschreiben, ordnet sie als NS-Erbe ein und beschreibt die Ausbeutung der Kurkinder als einen mutmaßlich verbreiteten Geschäftszweig."