In der Nacht vorher, so stellte man es sich vor, feierten die Hexen auf dem Blocksberg (Brocken) ein großes Fest. Da die Christen am 1. Mai der heiligen Walburga gedachten (die Schutzheilige gegen Pest, Husten und Tollwut), wurde das Hexenfest später Walpurgisnacht genannt.
Fraglich ist, inwiefern Hexer und Hexen früher schon ein schlechtes Image hatten. Ursprünglich war Zauberei (Magie) etwas positives, nämlich der Versuch mit Zaubersprüchen u.ä. das Glück auf seine Seite zu ziehen. Z.B. waren die Merseburger Zaubersprüche (bei Leipzig) aus dem 9. Jahrhundert dafür gut, einen verstauchten Pferdefuss zu heilen oder um gefangengenommene Krieger zu befreien.
Aber es gab auch Leute, denen etwas schlechtes widerfahren war, die dann glaubten, sie seien mit einem Schadenszauber belegt worden.
Und dann musste natürlich ein Schuldiger gefunden werden.
Schon in der Antike stand Schadenszauberei (schwarze Magie) unter Todesstrafe. Auch bei den Germanen gab es die Verbrennung von Schadenszauberern.
Aber es war eine Sonderstraftat, vermutlich gab es in der Antike noch keine Hysterie um Schadenszauber.
Als die Germanen im Mittelalter christianisiert wurden, versuchte die Kirche den alten germanischen Volksglauben schlechtzureden.
Hexer und Hexen seien mit dem Teufel im Bunde. Die Kirche forderte Denunzationspflicht und übernahm die Ermittlungen.
In Märchenerzählungen bekam die Hexe dann die Rolle der „bösen Hexe“ und wurde stereotyp als häßliche alte Frau dargestellt.
Im 15. Jahrhundert begann eine kleine Eiszeit, mit kaltem und nassem Wetter. Es kam zu Missernten, Hungersnöten und zu Seuchen, zudem kam es zu Kriegen.
Die Bevölkerung litt - und damit wuchs der Aberglaube. Für die Missstände wurden in skandinavischen Ländern hauptsächlich Männer (Hexer) verantwortlich gemacht, im Rest Europas hauptsächlich Frauen.
Die Hexenverfolgungen in Europa fanden überwiegend in der Frühen Neuzeit statt, von 1450 bis 1750.
Es wird geschätzt, dass es in Europa 60.000 Hexenverbrennungen gab, davon 40.000 allein in Deutschland.
Ein fortschrittlicher Grundsatz im Rechtssystem war, dass eine Verurteilung nur aufgrund eines Geständnisses erfolgen konnte.
Rückständig hingegen war, dass Folterung als Mittel zur Erlangung eines Geständnisses zugelassen war.
Außerdem gab es zum Beweis verschiedene Testmethoden (die Hexenprobe), z.B. die Wasserprobe (Schwimmt sie gefesselt oben?), Feuerprobe (Bekommt sie Brandmale?),
Nadelprobe (Ist sie schmerzempfindlich?) oder Wiegeprobe (Ist sie leichter als ein Gewicht?).
Anton Praetorius
1560 wurde in Lippstadt Anton Schulze geboren (der sich später lateinisiert Antonius Praetorius nannte).
Mit 13 Jahren erlebte er in Lippstadt einen Hexenprozess, bei dem Folter angewendet wurde.
Der Nagel-Schmied Ebert Balve und seine Schwester, eine Bäckerin, wurden erst nach langer Folter und Widerruf ihres Geständnisses wieder freigelassen.
Praetorius besuchte die Lateinschule in Lippstadt, studierte Theologie, wurde Lehrer und bekam 1586 die Stelle als Rektor der Lateinschule in Kamen. Seine Frau stirbt nach drei Fehlgeburten, seine zweite Frau stirbt kurz nach der Hochzeit an der Pest.
1596 ruft Praetorius in einem Buch die Fürsten zu einer bibelorientierten Erneuerung von Kirche und Nation auf. Der Graf von Birstein (Hessen) beruft ihn zum fürstlichen Hofprediger. 1597 forderte die Bevölkerung in Birstein einen Hexenprozess gegen vier Frauen. Praetorius wird vom Grafen zum Mitglied des Hexengerichts ernannt. Dies bedeutete die Wende in seinem Leben. Er ertrug es nicht, wie unschuldige Frauen durch die Folter in den Tod getrieben wurden.
Als Ortspfarrer wetterte er heftig gegen die Folter.
„... weil der Pfarrer alhie heftig dawieder gewesen, als man die Weiber peinigte, also ist es diesmal deßhalben unterlassen worden, da er mit großem Gestüm und Unbescheidenheit vor der Tür angericht den Herrn [Grafen] angefordert und heftig contra Torturam geredet.“
Mittlerweile lebte nur noch eine der vier Frauen: sie wurde freigelassen. Dies ist der einzige überlieferte Fall, in dem ein Geistlicher während eines Hexenprozesses die Beendigung
der unmenschlichen Folter verlangte - und Erfolg hatte.
Der Graf entließ Praetorius, und er musste das Land verlassen. Nun entfachte Praetorius seinen literarischen Kampf gegen Hexenwahn und unmenschliche Foltermethoden - in seinem Buch „Gründlicher Bericht über Zauberey und Zauberer“ (1598). Das Werk fand in ganz Deutschland Beachtung und erschien in vier Auflagen. Das folgende Bild zeigt den Buchtitel von 1613.
Praetorius war einer der ersten Theologen, die sich von ihrer christlichen Grundüberzeugung her mit der gesamten Folterpraxis ihrer Zeit auseinandersetzten und diese rechtlich und moralisch verwarfen. Schonungslos attackiert er in seiner schlichten, bibelfesten Frömmigkeit Hexenrichter und ihre Obrigkeiten: „Oder denket ihr Menschenkinder, die ihr richtet, daß ihr dem Urteil Gottes entrinnen werdet? - O nein, o nein, liebe Herren, das wird euch nicht durchgehen“.
Anton Praetorius wurde in seinem Leben mit viel Leid und Krankheit konfrontiert. Er überlebte eine Verlobte sowie drei Ehefrauen, die ihm 11 Kinder schenkten, die alle früh gestorben sind.
Aber mit seinen Veröffentlichungen trug Praetorius, als erster Kämpfer und „einem der verdienstvollen Männer, die der Hexenverfolgung mutig entgegentraten“, viel dazu bei, den Hexenprozessen ein Ende zu setzen.
Wegen seiner schonungslosen Kritik an der Folter und den menschenunwürdigen Gefängnissen seiner Zeit, wird er als ein
früher Vorläufer von Amnesty International bezeichnet.
Lippstadt
1630 schrieb der Superior der Jesuiten in Lippstadt nach Köln, dass am Montag vorher der Erwitter Pastor Jodocus in Lippstadt wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen endete.
Pfarrer Jodocus legte feierlich auf der Richtstätte Verwahrung gegen die Anklage ein. Er sei unschuldig fünfmal gefoltert worden, obwohl er
keinerlei Geständnis gemacht habe und dann zum Scheiterhaufen verurteilt worden.
Dann redete er mit solcher Haltung eindrucksvoll zu den Zuschauern und ging mit solcher Standhaftigkeit in den Tod, dass er sehr viele bis zu Tränen gerührt hat.
Die Lippstädter Bürger, die bei der Urteilsvollstreckung zugegen waren, haben gesagt: „Wenn dieser Mann die ewige Seligkeit nicht erlangt hat, dann
kommen nur Wenige in den Himmel.“
Im gleichen Jahr (1630) sind in Lippstadt 23 weibliche und 6 männliche Angeklagte der Hexerei schuldig gesprochen worden und mit dem Schwert hingerichtet worden - darunter zwei Jungen im Alter von 11 und 14 Jahren.
Der Höhepunkt der Verfolgungswelle in Europa ließ erst ab 1650 nach. In Lippstadt gab es 1676 einen letzten Hexenprozess gegen ein achtjähriges Mädchen.
In einem symbolischen Akt hat 2015 der Lippstädter Stadtrat alle 29 in Lippstadt Hingerichteten formell als unschuldig rehabilitiert.
Und im Grünen Winkel gibt es den Anton-Praetorius-Weg.
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