Lippstadt gehörte schon mit zu den Vorreitern der Städtehanse - und war bis zum Schluss mit dabei.
Im Frühmittelalter gab es in Westfalen noch keine Städte, sondern nur kleine germanische Siedlungen,
meistens als genossenschaftliches Haufendorf.
Soest gilt als eine der ältesten Städte Westfalens.
Im Hochmittelalter fand eine Binnen- und Außenkolonisation statt, d.h. es kam zu einer Welle
von Stadtgründungen (wie auch Lippstadt 1185), und gleichzeitig drangen
deutsche Siedler nach Osten vor, u.a. an die Ostsee.
Wenn man im Mittelalter als Händler von Stadt zu Stadt reiste, lief man Gefahr von Strauchrittern
und sonstigen Räubern überfallen zu werden.
Strauchritter (später Raubritter) waren verarmte Ritter, die hinter Sträuchern den Händlern auflauerten.
Gegen die Räuber schlossen sich die Kaufleute einer Region zu Fahrgemeinschaften zusammen, um
sich besser gegen Überfälle verteidigen zu können.
Diese Fahrgemeinschaften waren die Vorläufer der Kaufmannshanse (Hansa = Gruppe).
1160 erhielt Lübeck, das als kleine Kaufmannssiedlung neu gegründet wurde, das Soester Stadtrecht.
Dieser Zeitpunkt wird heute als der eigentliche Beginn der Kaufmannshanse angesehen.
Das war 25 Jahre bevor Lippstadt als
Planstadt gegründet wurde.
Aber hier an der Kreuzung von Cappelstraße und Soeststraße gab es bereits
eine Kaufmannssiedlung und die Nicolaikirche (von 1150), die nicht zufällig
dem heiligen Nikolaus geweiht ist - dem Schutzpatron der Kaufleute.
Das junge Lübeck bot als eine der ersten Städte an der Ostsee einen dauerhaften Markt für Kaufleute.
Der Herzog sandte Boten ins Binnenland, um Kaufleute anzuwerben und einen Zugang zum freiem Handel
in seiner neuen Hafenstadt Lübeck anzubieten.
Deutschen Kaufleuten wurde es dort erlaubt, eigene Schiffe zu führen.
Und auf dem Landweg bildete Lübeck mit Hamburg zudem eine lukrative Städteverbindung (Nordsee-Ostsee).
Die Lübecker konnten sich in einen bereits existierenden Ostsee-Handel hineindrängen, der
von Schleswig (bei Kiel) nach Gotland (Schweden) und Nowgorod (Russland) verlief.
Und so segelten 1193 Kaufleute aus Soest, Münster und Lübeck gemeinsam nach Russland, um Handelsgespräche in Nowgorod zu führen.
Bei der frühen Hanse handelte es sich um einen freien Zusammenschluss von Kaufleuten, die den Schutz der Gruppe
für die gefahrvolle Reise suchten und ihre Interessen an den Zielorten gemeinsam besser vertreten konnten.
In Nowgorod durften die deutschen Kaufleute ein Kontor (Handelsniederlassung) errichten - mit
Wohnhäusern, Bäckerei, Brauhaus, Krankenstube, Bad und Gefängnis.
Die Händler exportierten vor allem Fertigprodukte nach Nowgorod, z.B. Wein, Bier, Tuch, Waffen
und
Glas, aber auch Salz, Hering, Metall (Silber),
Gewürze, Südfrüchte, Pferde und Bernstein.
Im Gegenzug importierten sie überwiegend Rohprodukte nach Westeuropa, insbesondere Pelze, Wachs, Honig und Holz.
An der Nordsee wurde mit England Handel betrieben.
In London unterhielten Kaufleute aus Köln und Brügge eigene Kontore und importierten Wolle und Tuch aus England.
Die Weiterverteilung der Waren im Inland musste per Pferdewagen erfolgen.
Als
1220 Lippstadt seine Stadtrechte nach Soester Vorbild verliehen bekam,
sicherte der Landesherr den Lippstädtern Zollfreiheit zu.
Damit wurde das junge Lippstadt gut gerüstet, um am Fernhandel teilzunehmen.
Aber zu den Räubern am Wegesrand gab es auch noch rechtliche Probleme.
Jede Stadt hatte eigene Regeln und eigene Richter, und die Zuständigkeit war oft strittig (unklarer Gerichtsstand).
Und keine Stadt wollte ihre Bürger einer anderen Stadt ausliefern.
Das führte zu neuen Streitigkeiten - und so konnten einfache Rechtsfälle zum Politikum werden.
Deshalb trafen sich 1253 an der Lippe bei Werne (hinter Hamm) Vertreter der Städte Soest, Lippstadt, Dortmund und Münster - und
schlossen den Werner Bund. Ziel dieses Städtebündnisses war es, einheitliche Regeln für Recht und Handel festzulegen.
Es wurde vereinbart untereinander keine Zölle zu erheben und jeden Bürger einer Bündnisstadt so
zu schützen als wenn es ein eigener Bürger wäre.
Das junge Lippstadt (nicht mal 70 Jahre alt) war eigentlich nicht wichtig genug für dieses Bündnis, aber
die Herren zur Lippe sollen sich dafür eingesetzt haben.
Somit war Lippstadt ein Teilnehmer der frühen Städtehanse geworden.
1268 trat auch Osnabrück dem Bündnis bei. Damit sind im Werner Bund die Städte versammelt, die sich
auch später als Hauptorte der westfälischen Hanse wiederfinden werden: Dortmund, Münster, Soest und Osnabrück.
Blöderweise gerieten Lippstadt und Soest in einen Streit, und Lippstadt schied 1296 aus dem Werner Bund aus.
Aber Lippstadt wurde später trotzdem Beiort der Lübecker Hanse.
Der Seehandel wurde zum Schlüssel für einen schnelleren und kostengünstigeren Warenverkehr.
Mit dem Aufblühen des Handels überwand Europa seine wirtschaftliche Erstarrtheit aus dem Frühmittelalter.
Die "kommerzielle Revolution" im 13. Jahrhundert schuf den Frühkapitalismus
und das städtische Bürgertum als neue soziale Schicht,
d.h. durch Handel und Geld konnten es die Gilden mit den bodenbesitzenden Landesherren aufnehmen.
Die Patrizier (Oberschicht) gewannen Einfluss auf politische Entscheidungen.
Die Dummen waren die Bauern (90% der Bevölkerung!), denn sie durften auch in
den folgenden Jahrhunderten nicht teilhaben.
Am ersten Hansetag 1356 in Lübeck nahmen aus Westfalen nur Soest und Dortmund teil.
Zur Blütezeit der Hanse im 14. Jahrhundert, beanspruchten 200 Städte für sich zur Hanse zu gehören.
Allerdings kann man nicht sagen welche Stadt wann dazu gehörte oder nicht, weil die Hanse keine Mitgliedslisten führte
und es auch keine schriftlichen Verträge mit den Städten gab.
Die meisten Städte waren wenigen Großstädten untergeordnet, d.h. nur Großstädte wie Dortmund und Soest
fuhren nach Lübeck und hatten Stimmrecht in der Versammlung.
Die untergeordneten Städte (Beiorte) erkundigten sich anschließend
auf Regionaltagen in den Großstädten über das Ergebnis des Hansetags.
Z.B. fuhr 1469 der Lippstädter Bürgermeister Lubbert Synszemann zum Regionaltag nach Soest, um sich dort zu informieren.
Aus vielfältigen Gründen begann schon im 15. Jahrhundert die Zeit der Hanse langsam auszulaufen.
Kontore wurden umgangen und die sicherer gewordenen Landwege verdrängten die Seewege.
Man konnte auch einfach ohne die Hanse selber Handel treiben.
Und für die Städte wurden die Kosten für die Organisation der Hanse immer mehr zur Last.
1540 erhöhten die Lübecker den Status Lippstadts und ernannten es zur Prinzipalstadt der Hanse.
Doch anstatt sich zu freuen, trat Lippstadt aus Protest aus der Hanse aus.
Der Grund war, dass Lippstadt die höheren Beiträge einer Prinzipalstadt nicht zahlen wollte.
Schließlich gab Lippstadt seinen Protest doch auf und nahm die Wahl an.
Dagegen protestierte jedoch Köln, weil es den Machtzuwachs Lippstadts nicht hinnehmen wollte.
Im 17. Jahrhundert kam das Ende der Hanse.
Von den Soester Beistädten trat zuerst Arnsberg 1608 aus der Hanse aus und teilte mit, dass seine Bürger
nicht im Ausland Handel treiben und daher von der Hanse keinen Nutzen haben.
Als nach dem 30-jährigen Krieg wieder ein Hansetag stattfinden sollte, schrieb auch Brilon, dass
sie nicht wüssten welchen Nutzen sie von einer Mitgliedschaft in der Hanse haben sollten.
Zum Hansetag von 1669 in Lübeck entschuldigte sich sogar Soest.
Auf diesem letzten Hansetag war aus Westfalen nur noch Osnabrück vertreten.
Die Versammlung konnte sich nicht auf eine Weiterführung der Hanse einigen.
Lippstadt schien bis zum 30-jährigen Krieg Mitglied der Hanse gewesen zu sein.
Lippstadts Mitgliedschaft währte also von den Anfängen der Städtebünde bis zu ihrem stillen Ende.