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Kaufmannshanse und Städtehanse

Haupt-Routen der Hanse


 
Lippstadt in der Hanse (1253-1669)

Lippstadt gehörte schon mit zu den Vor­reitern der Städte­hanse - und war bis zum Schluss mit dabei.

Im Frühmittelalter gab es in West­falen noch keine Städte, son­dern nur kleine germa­ni­sche Sied­lun­gen, meis­tens als ge­nossen­schaft­liches Haufen­dorf. Soest gilt als eine der äl­testen Städte West­fa­lens.
Im Hochmittelalter fand eine Binnen- und Außen­kolonisa­tion statt, d.h. es kam zu einer Welle von Stadt­gründun­gen (wie auch Lipp­stadt 1185), und gleich­zei­tig dran­gen deut­sche Sied­ler nach Osten vor, u.a. an die Ost­see.

Wenn man im Mittelalter als Händler von Stadt zu Stadt reiste, lief man Ge­fahr von Strauch­rittern und sons­tigen Räubern über­fal­len zu wer­den. Strauch­ritter (später Raub­ritter) waren ver­armte Ritter, die hinter Sträu­chern den Händ­lern auf­lau­erten. Gegen die Räuber schlos­sen sich die Kauf­leute einer Region zu Fahr­gemein­schaf­ten zu­sam­men, um sich besser gegen Über­fälle ver­teidi­gen zu kön­nen. Diese Fahr­gemein­schaf­ten waren die Vor­läufer der Kauf­manns­hanse (Hansa = Gruppe).

1160 erhielt Lübeck, das als kleine Kauf­manns­sied­lung neu ge­grün­det wurde, das Soester Stadt­recht. Dieser Zeit­punkt wird heute als der ei­gent­liche Be­ginn der Kauf­manns­hanse ange­sehen.
Das war 25 Jahre bevor Lippstadt als Plan­stadt ge­grün­det wurde. Aber hier an der Kreu­zung von Cappel­straße und Soest­straße gab es be­reits eine Kauf­manns­sied­lung und die Nicolai­kirche (von 1150), die nicht zu­fäl­lig dem heili­gen Niko­laus ge­weiht ist - dem Schutz­patron der Kauf­leute.

Das junge Lübeck bot als eine der ersten Städte an der Ost­see einen dauer­haften Markt für Kauf­leute. Der Herzog sandte Boten ins Binnen­land, um Kauf­leute anzu­wer­ben und einen Zu­gang zum freiem Handel in seiner neuen Hafen­stadt Lübeck an­zu­bie­ten. Deut­schen Kauf­leuten wurde es dort er­laubt, eigene Schiffe zu füh­ren. Und auf dem Land­weg bil­dete Lübeck mit Hamburg zu­dem eine lukra­tive Städte­ver­bin­dung (Nordsee-Ostsee). Die Lübecker konn­ten sich in einen be­reits exis­tie­ren­den Ostsee-Handel hin­ein­drängen, der von Schleswig (bei Kiel) nach Got­land (Schweden) und Nowgorod (Russ­land) ver­lief.

Und so segelten 1193 Kaufleute aus Soest, Münster und Lübeck ge­mein­sam nach Russ­land, um Handels­gesprä­che in Nowgorod zu füh­ren. Bei der frühen Hanse han­delte es sich um einen freien Zu­sammen­schluss von Kauf­leuten, die den Schutz der Gruppe für die gefahr­volle Reise such­ten und ihre Inter­essen an den Ziel­orten ge­mein­sam bes­ser ver­tre­ten konn­ten. In Nowgorod durf­ten die deut­schen Kauf­leute ein Kontor (Handels­nieder­las­sung) er­rich­ten - mit Wohn­häusern, Bäckerei, Brau­haus, Kranken­stube, Bad und Ge­fäng­nis. Die Händler expor­tier­ten vor allem Fertig­produkte nach Nowgorod, z.B. Wein, Bier, Tuch, Waffen und Glas, aber auch Salz, Hering, Metall (Silber), Gewürze, Süd­früchte, Pferde und Bern­stein. Im Gegen­zug impor­tier­ten sie über­wie­gend Roh­produkte nach West­europa, ins­be­son­dere Pelze, Wachs, Honig und Holz.

An der Nordsee wurde mit England Handel be­trie­ben. In London unter­hiel­ten Kauf­leute aus Köln und Brügge eigene Kon­tore und impor­tier­ten Wolle und Tuch aus Eng­land.

Die Weiterverteilung der Waren im In­land musste per Pferde­wagen er­fol­gen. Als 1220 Lipp­stadt seine Stadt­rechte nach Soester Vor­bild ver­lie­hen be­kam, sicherte der Landes­herr den Lipp­städtern Zoll­frei­heit zu. Damit wurde das junge Lipp­stadt gut ge­rüs­tet, um am Fern­handel teil­zu­neh­men. Aber zu den Räubern am Weges­rand gab es auch noch recht­li­che Proble­me. Jede Stadt hatte eigene Regeln und eigene Richter, und die Zu­stän­dig­keit war oft strit­tig (un­kla­rer Gerichts­stand). Und keine Stadt wollte ihre Bürger einer ande­ren Stadt aus­lie­fern. Das führte zu neuen Streit­ig­kei­ten - und so konn­ten ein­fache Rechts­fälle zum Politi­kum wer­den.

Deshalb trafen sich 1253 an der Lippe bei Werne (hinter Hamm) Vertre­ter der Städte Soest, Lipp­stadt, Dort­mund und Münster - und schlos­sen den Werner Bund. Ziel die­ses Städte­bünd­nis­ses war es, ein­heit­liche Regeln für Recht und Handel fest­zu­legen. Es wurde ver­ein­bart unter­ein­ander keine Zölle zu er­heben und jeden Bürger einer Bündnis­stadt so zu schüt­zen als wenn es ein eige­ner Bürger wäre.

Das junge Lippstadt (nicht mal 70 Jah­re alt) war eigent­lich nicht wich­tig genug für dieses Bünd­nis, aber die Her­ren zur Lippe sol­len sich da­für ein­ge­setzt ha­ben. Somit war Lipp­stadt ein Teil­neh­mer der frü­hen Städte­hanse ge­wor­den. 1268 trat auch Osna­brück dem Bünd­nis bei. Damit sind im Werner Bund die Städte ver­sam­melt, die sich auch später als Haupt­orte der west­fä­li­schen Hanse wieder­fin­den wer­den: Dort­mund, Münster, Soest und Osna­brück. Blöderweise ge­rie­ten Lipp­stadt und Soest in einen Streit, und Lipp­stadt schied 1296 aus dem Wer­ner Bund aus. Aber Lipp­stadt wurde später trotz­dem Bei­ort der Lü­becker Hanse.

Der Seehandel wurde zum Schlüssel für einen schnel­leren und kosten­günsti­geren Waren­verkehr. Mit dem Auf­blühen des Handels über­wand Europa seine wirt­schaft­liche Er­starrt­heit aus dem Früh­mittel­alter. Die "kommer­zielle Re­volu­tion" im 13. Jahr­hun­dert schuf den Früh­kapitalis­mus und das städ­ti­sche Bürger­tum als neue soziale Schicht, d.h. durch Handel und Geld konn­ten es die Gilden mit den boden­besitz­enden Landes­herren auf­neh­men. Die Patrizier (Ober­schicht) ge­wan­nen Ein­fluss auf poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen. Die Dummen waren die Bauern (90% der Be­völ­kerung!), denn sie durf­ten auch in den fol­gen­den Jahr­hun­der­ten nicht teil­haben.

Am ersten Hansetag 1356 in Lübeck nahmen aus West­falen nur Soest und Dort­mund teil. Zur Blüte­zeit der Hanse im 14. Jahr­hun­dert, bean­spruch­ten 200 Städte für sich zur Hanse zu ge­hö­ren. Aller­dings kann man nicht sagen welche Stadt wann dazu ge­hörte oder nicht, weil die Hanse keine Mit­glieds­listen führte und es auch keine schrift­li­chen Ver­träge mit den Städ­ten gab. Die meisten Städte waren weni­gen Groß­städten unter­ge­ord­net, d.h. nur Groß­städte wie Dort­mund und Soest fuh­ren nach Lübeck und hat­ten Stimm­recht in der Ver­samm­lung. Die unter­ge­ord­ne­ten Städte (Bei­orte) er­kun­dig­ten sich an­schlie­ßend auf Regional­tagen in den Groß­städ­ten über das Er­geb­nis des Hanse­tags. Z.B. fuhr 1469 der Lipp­städ­ter Bürger­meis­ter Lubbert Synsze­mann zum Regional­tag nach Soest, um sich dort zu infor­mie­ren.

Aus vielfältigen Gründen be­gann schon im 15. Jahr­hun­dert die Zeit der Hanse lang­sam aus­zu­lau­fen. Kontore wurden um­gan­gen und die siche­rer ge­wor­denen Land­wege ver­dräng­ten die See­wege. Man konnte auch ein­fach ohne die Hanse selber Handel treiben. Und für die Städte wurden die Kosten für die Orga­ni­sation der Hanse immer mehr zur Last.

1540 erhöhten die Lübecker den Status Lipp­stadts und er­nann­ten es zur Prinzipal­stadt der Hanse. Doch an­statt sich zu freuen, trat Lipp­stadt aus Protest aus der Hanse aus. Der Grund war, dass Lipp­stadt die höhe­ren Bei­träge einer Prinzi­pal­stadt nicht zah­len wollte. Schließ­lich gab Lipp­stadt seinen Protest doch auf und nahm die Wahl an. Dagegen pro­tes­tierte jedoch Köln, weil es den Macht­zuwachs Lipp­stadts nicht hin­neh­men wollte.

Im 17. Jahrhundert kam das Ende der Hanse. Von den Soester Bei­städten trat zu­erst Arnsberg 1608 aus der Hanse aus und teilte mit, dass seine Bürger nicht im Aus­land Handel trei­ben und daher von der Hanse keinen Nut­zen haben. Als nach dem 30-jährigen Krieg wieder ein Hanse­tag statt­fin­den sollte, schrieb auch Brilon, dass sie nicht wüss­ten wel­chen Nutzen sie von einer Mit­glied­schaft in der Hanse haben soll­ten. Zum Hanse­tag von 1669 in Lübeck ent­schul­digte sich sogar Soest. Auf diesem letz­ten Hanse­tag war aus West­falen nur noch Osna­brück ver­tre­ten. Die Ver­samm­lung konnte sich nicht auf eine Weiter­füh­rung der Hanse eini­gen.

Lippstadt schien bis zum 30-jährigen Krieg Mit­glied der Hanse ge­wesen zu sein. Lipp­stadts Mit­glied­schaft währte also von den An­fän­gen der Städte­bünde bis zu ihrem stil­len Ende.
Zusammenfassung: Jörg Rosenthal.
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Links:
Werner Bund (als PDF)
Deutsche Hanse (Wikipedia)
Die kulturelle Hanse der Neuzeit




Jahreszahlen der Besiedlung des Ostens (laut Walter Kuhn, Karte: Ziegelbrenner, CC BY-SA 3.0)
Lippstadt im westfälischen Teil der Hanse, um 1400 (Karte: Droysen 1886)
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