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Die Christianisierung Westfalens

Wer sich nicht in der Lippe taufen ließ, musste sterben

Bei Erwitte und Soest fanden Archäo­logen Gräber von 3.700 v.Chr. Es sind 20 m lange Gruften (Gemein­schafts­gräber) aus großen Stein­platten, deren Verschluss-Stein ein großes rundes Loch ent­hält. Man nimmt an, dass das Loch den Seelen der Verstor­benen als Aus­gang aus dem Grab diente (Seelen­loch).

Unerklärliche Ereignisse wurden früher den Seelen der Ahnen zuge­schrieben. Man glaubte, dass man die Ahnen bzw. Geister oder Natur­gewalten durch Opfer­gaben freund­lich stim­men könne. Möglicher­weise ent­wickelte sich aus der Personi­fizierung von Natur­gewalten und der Vor­stellung von Geistern die Vor­stellung von Göttern. Wie man es auch von Menschen kennt, hatte jeder Gott seine beson­deren Fähig­keiten und Schwächen.
Der Name einer großen Mutter­göttin aus der Stein­zeit soll sich im Deutschen über Umwege eines Kinder­märchens bis in die heutige Zeit ge­rettet haben: Frau Holle (die Huld­volle).

In allen antiken Reli­gionen gab es mehrere Götter, z.B. einen Gott für das Wetter, oder für Ernte und Frucht­bar­keit, oder für Krieg oder Frieden. Vielgötterei war im Alter­tum und der Antike die Regel - es gab sie bei den Ger­manen, Römern, Griechen, Ägyp­tern, Sume­rern, Babylo­niern, Assyrern, Maya, Azteken usw.

Die Römer sowie die Germanen glaub­ten an Kräfte, die sie in der Natur sahen und die auf Tiere und Men­schen wirk­ten. Später gaben die Römer diesen Kräften Namen wie Jupiter, Neptun, Mars, Venus, Apollo, Merkur. Sie ent­sprachen den grie­chischen Göttern Zeus, Poseidon, Ares, Aphro­dite, Apol­lon, Hermes, usw.

Die Germanen hatten ebenfalls mächtige Götter, z.B. den Haupt­gott Odin (bei uns Wodan ge­nannt) und den Wetter- und Donner­gott Thor (bei uns Donar ge­nannt) sowie zusätz­lich regionale Götter, z.B. den hiesigen Frucht­bar­keits­gott Freko, den wir im Orts­namen Freckenhorst (bei Waren­dorf) finden.

Dadurch dass das Talent jedes Gottes auf sein Spezial­gebiet be­schränkt war, gab es ein Er­klärungs­problem: Wie war die Welt bzw. das Uni­versum ent­standen? Denn keiner der Göt­ter wäre fähig ge­we­sen die Welt und sich selbst zu er­schaf­fen. Deshalb zogen die Germanen eine weitere Ebene über den Göttern ein: Die Wanen, die Wissenden, wohnten in Wana­heim, irgend­wo im Nichts über Asgard. Die Wanen schu­fen die Welt und ge­baren die ersten Götter. Mit dem Tages­geschäft auf der Erde (Midgard) schie­nen die Wanen dann aber nichts mehr zu tun ge­habt zu haben.
Noch zu erwähnen ist Helheim, das Gebiet der Toten­göttin Hel. Ihr Name hat sich im Eng­lischen als Hell und im Deut­schen als Hölle er­halten. Im Gegensatz zur düsteren Vor­stel­lung der Christen, war Helheim ent­weder eine grüne Wiese (Paradies) oder ein Ort des Still­stands, wo es weder gut noch böse gibt.

Auch in den Namen der Wochen­tage finden wir noch heute die germa­nischen Götter: der Donars-Tag ist im Donners­tag leicht er­kenn­bar, und der Freitag (Friday) trägt den Namen von Frija, Odins Frau.
Im Dienstag (Dingesdach) finden wir das Thing (Ding), die Ver­samm­lung der Ger­manen. Das Thing wurde oft unter einem Linden­baum im Dorf abge­halten (Gerichts­linde), wo jeder germa­nische Stamm für sich Poli­tik machte und Gericht hielt. Die frühen Germa­nen hatten keinen König bzw. keinen dauer­haften König: jeder Stamm be­schied einfach für sich selbst.
Eigent­lich sollten während der Christia­ni­sierung alle germa­nischen Namen aus den Wochen­tagen ge­tilgt werden, aber sie haben sich doch bis heute er­halten. Im Eng­lischen findet sich noch Wodan im Wednes­day (alt­hoch­deutsch Wodens­dag).

In Israel sollen ab 1.200 v.Chr. Ge­schich­ten von Moses münd­lich in Um­lauf ge­kom­men sein. Aufge­schrieben wurden die fünf Bücher Mose erst ab 700 v.Chr., wurden bis 400 v.Chr. über­arbei­tet, und bilden den An­fang der jüdischen Bibel. Die jüdische Reli­gion er­kennt nur einen ein­zigen Gott an, d.h. sie ist die erste mono­theis­tische Reli­gion der Welt.

Die frühen Christen galten bei den Römern nur als eine jü­dische Sekte. Ab 100 n.Chr. bil­dete sich eine Struk­tur mit Bischöfen, Pries­tern und Dia­konen. Aller­dings wider­sprach ihr Ein-Gott-Glaube der staat­lich ver­ord­neten Vergött­lichung des rö­mischen Kaisers. Des­halb wurden die Chris­ten zeit­weise ver­folgt.

Die Wende kam nach 250 Jahren, als sich Kaiser Konstan­tin 337 auf dem Sterbe­bett christ­lich tau­fen ließ. Sein Sohn Constan­tius II. war be­reits christ­lich er­zogen wor­den und begann mit der Chris­tia­ni­sierung Roms. Christen wurden steuer­lich be­güns­tigt, und andere alte Kulte wur­den ver­boten. Das Chris­ten­tum wurde zur Staats­religion Roms er­nannt. Weitere 200 Jahre später, um 540 n.Chr., begann Kaiser Justinian mit der Ver­fol­gung von Nicht­christen und führ­te die Zwangs-Taufe von Kindern ein.

Die Franken waren ein germa­ni­sches Volk am Rhein, das sich erst im 2. Jahr­hun­dert n.Chr. bil­dete - aus dem Zusammen­schluss von kleinen ger­ma­nischen Stäm­men, die rechts vom Rhein sie­delten. Als im 3. Jahr­hun­dert das Rö­mische Reich eine Schwäche­phase durch­machte, nutz­ten dies die Franken für Plün­derungs­züge auf rö­mischem Gebiet links des Rheins (Gallien).

Der Franke Chlodwig I. ver­ei­nigte die frän­kischen Teil­völker mit Ge­walt, und wurde so der erste Herr­scher aller Franken (Warlord oder König?). Zudem brachte Chlodwig in einer Schlacht von 507 den größ­ten Teil Galliens [Frank­reich] unter seine Herr­schaft, das die Römer schon 51 v.Chr. er­obert hat­ten.
Da Gallien größer war als die vor­herigen frän­kischen Ge­biete am Rhein, und die gal­lischen Römer (oder rö­mischen Gallier?) Christen waren, ent­schloss sich Chlodwig zum Christen­tum zu kon­ver­tieren - und somit unge­fragt auch seine Unter­tanen, d.h. auch die alten frän­kischen Ge­biete. Fränkische Kult­stätten am Rhein wur­den ab­ge­rissen und durch christ­liche Kapel­len oder Kir­chen er­setzt.

Anders als viele andere Völker, die zum Aria­nischen Chris­ten­tum überge­tre­ten waren, ent­schied sich Chlodwig für die katho­lische Kirche der Römer („römisch-katho­lisch“). Dies hatte den Vor­teil, dass die Franken den glei­chen Glauben be­kamen wie die gallisch-römische Be­völ­kerungs­mehrheit und es da­durch keine konfes­sionel­len Barri­eren und Strei­tig­keiten gab. Und von der Kirche war kein Wider­stand gegen die neuen frän­kischen Herr­scher zu er­warten.

732 stießen muslimische Araber bis nach Gallien vor. Die isla­mische Reli­gion war da­mals erst 110 Jahre alt. In einer Schlacht be­sieg­ten die Franken die Araber, und stopp­ten die isla­mische Expan­sion nach Westen.

Westfalen
Bis zu dieser Zeit hatten man in West­falen mit all dem noch nichts zu tun ge­habt. Es war schon 700 Jahre her, dass die ger­ma­ni­schen Stämme unter Arminius (Hermann der Cherus­ker) die Römer von hier ver­trieben hat­ten. Westfalen, Engern und Ost­falen bil­de­ten das Stammes­gebiet der Sachsen. Die Sachsen hat­ten keinen fest defi­nier­ten Staat, kein stän­diges Staats­ober­haupt, und machten statt­dessen regio­nale und genos­sen­schaft­liche Poli­tik auf Thing-Versamm­lungen - und hat­ten ihre ger­ma­nischen Götter.

Die sächsischen Gebiete West­falen und Ost­falen grenzten an das Reich der Franken. Gelegent­lich fielen säch­sische Stämme zum Plün­dern ins Franken­reich ein. Aber auch die Franken kamen, um säch­sische Ge­biete zu er­obern.
768 wurde Karl der Große zum König der Franken. Er sann auf Expan­sion seines Franken­reichs und auf Christia­ni­sierung. 772 veran­lasste Karl der Große die Zer­störung der ger­ma­nischen Irminsul (wört­lich: große Säule) bei Marsberg im Sauer­land. Die Irminsul symbo­li­sierte vermut­lich den Welten­baum oder eine Säule, die den Himmel trägt. Die Zer­störung des ger­ma­nischen Heilig­tums ent­fachte Kriege zwischen Sachsen und Franken, die 30 Jahre an­dauerten (Sachsen­kriege 772-804).
Spoileralarm: Die Sachsen haben verloren.

Nach drei Jahren hatte Karl bereits einen Groß­teil der säch­sischen Ge­biete er­obert. In Gefech­ten bei Osna­brück und Detmold sol­len sich so­gar säch­sische Frauen bar­busig den an­grei­fenden Franken ent­ge­gen ge­stürzt haben, um sie abzu­lenken. Letztlich ohne Erfolg. 776 ließ Karl sich am Ort des heu­tigen Pader­born eine Pfalz (könig­liche Resi­denz) bauen, und die ersten christ­lichen Taufen der Sachsen wur­den durch­ge­führt.

Die Sachsen wurden zwar nur ober­fläch­lich mit dem Christen­tum be­kannt ge­macht, aber strenge Gesetze soll­ten die Ein­hal­tung der kirch­lichen Gebote sicher­stellen. Wer sich wider­setzte, wurde hin­ge­richtet. Wegen seiner Rigoro­sität mahnte sogar Karls Umfeld ihn zur Zurück­haltung, denn die Heilige Schrift soll mit Predig­ten und nicht mit dem Schwert ver­brei­tet werden. Karls Bruta­lität und Kom­pro­miss­losig­keit brachte ihm den Bei­namen „Sachsen­schlächter“ ein.

Als Karl der Große 777 nach Pader­born reiste, soll in Helling­hausen bereits eine Kirche aus Holz ge­stan­den haben. Der spätere Nach­folge­bau der Holz­kirche in Helling­hausen gilt als die ältes­te Stein­kirche West­falens (wo heute das ver­steiner­te Brot auf­be­wahrt wird).

Um den Norden Deutschlands zu christia­ni­sieren, wurde in Soest die Kirche St. Petri ge­baut (aus Stein?!). Sie gehört zu den Ur-Pfarreien in West­falen, von denen die Missio­nierung weiter­ge­tragen wurde. Möglicherweise ist St. Petri sogar die ältes­te Kirche West­falens (777).

778 versuchten die Westfalen das Blatt noch­mal zu wenden und fielen ins frän­kische Rhein­land ein, zer­stör­ten dort mehrere Sied­lungen und rich­teten großen Schaden an. Darauf folgte bis 781 in West­falen ein zer­mür­bender Klein­krieg. 782 ließ Karl 4.500 gefangene Sachsen in Verden (Nieder­sachsen) köpfen, an einem einzigen Tag - das be­haupten die Franken in ihren Reichs­annalen selbst, nieder­ge­schrieben in Pader­born.

Im selben Jahr wurde auf dem frän­kischen Reichs­tag in Lipp­springe das Gebiet der Sachsen in frän­kische Graf­schaften aufge­teilt. Dabei er­ließ Karl der Große einige Gesetze, u.a.:
• Wer die Taufe verweigert, soll sterben.
• Wer sich gegen Christen verbündet, soll sterben.
• Wer dem König die Treue bricht, soll sterben.
• Wer während des 40-tägigen Fastens Fleisch isst, soll sterben.
• Wer Tote nach heidnischer Art ver­brennt, soll sterben.

Doch in Teilen des Münster­lands wehrte man sich lange gegen den frän­kischen und christ­lichen Ein­fluss ...

Cappel
784 kämpfte Karls Sohn, Karl der Jüngere, in einem Reiter­gefecht im Gebiet zwi­schen Lipp­stadt, Lünen (Unna) und Greven (Münster). Die säch­sischen Kämpfer wurden be­siegt. Auch viele Franken kamen hier um, und fanden ihr Grab, wo die Glenne in die Lippe fließt. An diesem Ort hat Karl der Große zum An­denken eine Kapelle ge­baut. Als dort später ein Kloster ge­stiftet wurde, be­hielt der Ort den Namen Cappel (Kapelle) bei.

Ida von Herzfeld
786 waren der fränkische Herzog/Graf Ekbert und seine Frau Ida auf dem Weg nach Osna­brück, über­quer­ten die Lippe und schlu­gen ihr Zelt im Lippe­tal bei „Hirutveldun“ (alt­sächsisch: Hirsch­felder) auf. Nachts erhielt Ida im Traum den Auftrag eines Engels, dort eine Kirche zu bauen. Sie be­mühte sich des­halb da um den Bau einer Kirche und wurde so die Grün­derin der ersten katho­li­schen Ge­meinde im Münster­land. Ida wird oft zu­sammen mit einem Hirsch abge­bildet. Der Hirsch aus dem Hirsch­feld (Herz­feld) steht sym­bo­lisch für die hie­sigen Sachsen, die durch Ida christia­ni­siert wurden.

Sachsen-Herzog Widukind
Widukind (Waldkind=Wolf) aus West­falen war der An­führer des säch­sischen Wider­stands gegen Karl den Großen. Einer Legende nach, soll er 785 beim Ritt durch das Wiehen­gebirge (nahe Bad Oeyn­hausen) darüber nach­ge­dacht haben, welches wohl der rich­tige Glaube sei. Er habe sich ein Zeichen ge­wünscht, ob das Christen­tum die rich­tige gött­liche Lehre sei. Da habe sein Pferd einen Stein am Boden losge­scharrt (Pferde galten bei den Germanen als Ver­bindung zum Gött­lichen). Aus dem Boden sei eine Quelle hervor­ge­sprungen, was Widukind als Zeichen für das Chris­ten­tum ge­deu­tet hat. Dies soll der Grund ge­wesen sein, warum sich Widukind ent­schied, sich Karl dem Großen zu er­geben und sich als Vor­bild für sein Volk zum Chris­ten­tum zu be­kennen.

Widukind erreichte mit seiner Taufe 785 schließ­lich einen Friedens­vertrag. Der Krieg gegen die Sachsen sei der schwer­ste ge­wesen, den das frän­kische Volk je ge­führt habe, ur­teilt Karls Bio­graph. Der Legende nach schenk­te Karl der Große nach der Taufe Widukinds ihm ein weißes Pferd - das heute das Wappen­tier von West­falen ist.

Das stark expandierte Franken­reich wurde schon bald durch Erb­teilung wieder ge­teilt. Daraus gingen die heutigen Länder Frank­reich und Deutsch­land her­vor, ebenso die Nieder­lande, Belgien, die Schweiz und Öster­reich.

Mit der Gründung der Bistümer in West­falen, z.B. in Pader­born, Münster, Osna­brück, Minden, schuf sich die katho­li­sche Kirche hier eine um­fas­sende Infra­struk­tur, um sich ihre Position zu sichern.
Erst 2016 kam heraus, dass das Bistum Pader­born nach dem Bistum München das reichste Bistum Deutsch­lands ist, ge­folgt vom Bistum Köln.

Dadurch dass die Sachsen dem frän­kischen König unter­lagen, ver­loren sie nicht nur ihre germa­nische Religion, sondern auch die Selbst­be­stim­mung der Stämme über ihre Lände­reien. Während die frühen germa­nischen Stämme keinen dauer­haften König hat­ten, regional ent­schieden und ihre Dörfer genos­sen­schaft­lich bewirt­schaf­teten, gehörte nun alles Land dem König, der es an Adelige ver­schenk­te bzw. verlieh, um deren Gunst und Dienste zu er­langen.

Und von der germa­nischen Demo­kratie der Thing-Versamm­lungen, ge­rie­ten die Sachsen in eine Erb-Monarchie (von Gottes Gnaden) und Adels­herr­schaft. Auch die Enkel unseres Stadt­gründers nannten sich „von Gottes Gnaden“. Somit war die Macht­ausübung nicht mehr kriti­sier­bar, denn sie war angeb­lich gott­gewollt.

Es gab das Lehns­wesen (Feudalis­mus) mit Grund­herr­schaft, unfreien Bauern und Leib­eigen­schaft. Das Sys­tem hielt sich hier 1.000 Jah­re lang. Die Leib­eigen­schaft wurde erst mit der Franzö­si­schen Revo­lu­tion abge­schafft (Frank­reich 1789, Preußen 1794, West­phalen 1808, Lippe 1809).

Text: Jörg Rosenthal.
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