Warum die Blätter von Blutbuchen zunächst rot
und im Herbst grün sind, und wo die Baumart herkommt ...
120 km östlich von Kassel, nördlich von Erfurt, liegt Sondershausen
(↗
Karte).
Dort im Possenwald bei Sondershausen gab es vermutlich um das Jahr 1680 eine einmalige Mutation bei einer Buchecker.
Zumindest fiel im 18. Jahrhundert auf, dass im Possenwald ein Baum steht, der rote anstatt grüner Blätter trägt. Dies ist die Ur-Blutbuche, die die Mutter aller heutigen Blutbuchen weltweit ist.
1823 wurden Versuche unternommen, die Blutbuche durch Aussat zu vermehren. Doch durch die Fremdbestäubung von anderen, normalen Buchen verringert sich der Rotanteil beträchtlich.
Deshalb hat man Pfropfreiser der Ur-Blutbuche verwendet, d.h. ihr Zweige (Edelreis) wurden auf Unterlagen gepfropft, also in den Stamm einer normalen Buche.
Dadurch konnte die Ursprungspflanze vermehrt werden. Bis 1837 hatte man auf diese Weise 60 Blutbuchen gezogen. Die jungen, sonderlichen Blutbuchen waren offenbar begehrt, denn "es gelang nicht, sie vor Entwendung zu schützen".
Später sind auf legalem Wege sehr viele junge Blutbuchenpflanzen, Pfropfreiser und Bucheln [Bucheckern] des Stammbaumes auch nach England, Frankreich und Nordamerika abgegeben worden.
Wenn die Lippstädter Blutbuche ca. 230 Jahre alt ist, müsste Sie ungefähr aus dem Jahr 1790 stammen. Dann wäre sie allerdings älter als die o.g. Pfropfreiser-Versuche.
Entweder ist unser Baum ein früherer Abkömmling (gut möglich) oder die Altersangabe stimmt nicht ganz, dazu nachher mehr. Warum dieses Exemplar im Postpark steht, schreibe ich am Ende des Textes.
Heutzutage ist biologisch erklärbar, woher die rote Färbung kommt. Viele Pflanzen produzieren in ihren Knospen einen roten Farbstoff (Anthocyan), der die empfindlichen Knopsen vor schädlicher UV-Strahlung schützt.
Es ist der gleiche Farbstoff, der auch Beeren eine rote oder rot-blaue Farbe gibt.
Sobald die Blätter wachsen, müssen die roten Sonnenschutz-Pigmente wieder abgebaut werden, damit sie der Photosynthese nicht das Licht wegnehmen.
Dazu produzieren Pflanzen ein Enzym, das die roten Pigmente wieder zersetzt.
Und mit genau diesem Enzym scheint bei der Blutbuche etwas nicht richtig zu funktionieren. Es ist also ein Gendefekt, der zufällig äußerlich gut erkennbar wird.
Ohne die Enzyme bleiben die roten Pigmente erhalten, liegen in der oberen Blattschicht und überdecken das grüne Chlorophyll in der tieferen Ebene.
Dass die Blutbuche oder auch der rote japanische Ahorn trotzdem wachsen können, liegt daran, dass die roten Pigmente nicht alles Licht absorbieren, sondern nur die blauen und grünen Lichtanteile (Rot bleibt übrig).
Der grüne Anteil wäre vom Chlorophyll sowieso reflektiert worden (Blattgrün). Der blaue Anteil ist zwar leider futsch, doch der nicht absorbierte rote Lichtanteil kann zur Photosynthese verwendet werden.
Da die Photosynthese nun quasi nur mit halber Kraft läuft, benötigen Blutbuchen und der rote japanische Ahorn ein sonniges Plätzchen.
Im Laufe des Sommers reichert sich immer mehr Chlorophyll in den Blättern an, weshalb die Blätter dunkler werden. Bei normalen Pflanzen ergibt es ein Dunkelgrün,
bei der Blutbuche erscheint es uns wie ein Dunkelrot, da die roten Pigmente an der Blattoberfläche die prominentere Position haben.
Doch im Laufe des Sommers verlieren sich die roten Farbstoffe. Ich kann nur laienhaft vermuten, dass sie durch die lange UV-Bestrahlung langsam zerfallen.
Zum Ende des Sommers haben Blutbuchen dann doch ein grünes Blätterkleid und sind von normalen Rotbuchen
nicht mehr unterscheidbar.