In einer Zeitspanne von über 250 Jahren haben die Brauereien
Nies (Altes Brauhaus, Rathausstraße) und
Weissenburg in Lippstadt gewirkt.
Im letzten Jahrhundert kaufte Nies alles auf („Nies-Weissenburg“). Seit 1990 gehört die Marke Weissenburg zur Warsteiner Gruppe.
Nies war in Lippstadt der früheste Brauer, dessen Namen wir heute noch kennen.
Als Familie Nies 1734 das Braurecht erhielt, war sie aber nicht die erste, sondern schon die
29. Braustätte in Lippstadt.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Lippstadt 29 kleine Brauereien und 72 Branntwein-Brennereien (ich vermute alles als Hausstätten).
Unsere heutige Poststraße hieß bis ca. 1750 Koitstraße.
Koit (Keut)
war ein Weißbier ohne Hopfen, das zuerst im Jahr 1444 in Hamm urkundlich erwähnt worden war.
Biergeschichtliche Meilensteine (Schwerpunkt Westfalen)
1050 | Erste Klosterbrauerei in Bayern |
1156 | Stadtrecht von Augsburg stellt schlechtes Bier unter Strafe |
1447 | Reinheitsgebot in München |
1680 | gegründet: ↗Brauhaus Stiefel-Jürgens, Beckum |
1700 | Lippstädter Postraße heißt Koitstraße (s. Text) |
1734 | gegründet: Brauerei Nies, Lippstadt |
1735 | gegründet: Kloster-Brauerei Hamm (Kloster Alt bis 1989) |
1753 | gegründet: Warsteiner, Haus Cramer |
1769 | gegründet: Isenbeck, Hamm |
1769 | gegründet: Pott’s, Oelde |
1801 | Nies kauft Gebäude „Altes Brauhaus“ |
1803 | gegründet: Krombacher, Kreuztal-Krombach bei Siegen |
1824 | gegründet: Veltins, Meschede-Grevenstein |
1832 | gegründet: Tannenbaum, C. Mattenklott, Lipperode |
1842 | Erfindung der Pilsner Brauart in Böhmen/Tschechien |
1845 | gegründet: Hohenfelder, Langenberg (auf Gut Hohenfelde) |
1852 | gegründet: Paderborner |
1868 | gegründet: Dortmunder DAB (1902 Hansa-Pils) |
1870 | gegründet: Weissenburg, Ohm & Kleine, Lippstadt |
1873 | Carl Linde erfindet Kühlmaschinen für Brauereien |
1878 | gegründet: Herforder |
1895 | Nies zieht in heutiges Stadtmuseum und Fabrik auf dem Marktplatz |
1920 | Nies kauft Weissenburg (⇒ Nies zieht zu Weissenburg um) |
1924 | Nies kauft Paderborner |
1930 | Nies kauft Tannenbaum C. Mattenklott, Lipperode |
1938 | Nies kauft Isenbeck/Hamm |
1971 | Isenbeck (Mehrheit Nies) kauft Klosterbrauerei Hamm |
1983 | Nies zentralisiert alles in neuer Brauerei in Paderborn |
1984 | Warsteiner wird Deutschlands größte Biermarke |
1990 | Warsteiner kauft Nies (inkl. Paderborner, Weissenburg, Isenbeck) |
2000 | gegründet: Brauhaus Thombansen, Lippstadt |
2007 | Warsteiner kauft Herforder |
⇒ | Familie Nies braute in Lippstadt von 1734 bis 1984 (250 Jahre und 7 Generationen lang) |
⇒ | Rund um Lippstadt gehört heute fast alles zur Warsteiner Gruppe (Cramer), außer Thombansen, Hohenfelder und Veltins |
An den folgenden Lippstädter Beispielen erkennt man, wie sich aus Hausbrauereien die Großbrauereien entwickelten, d.h. durch Zusammenlegung und Massenproduktion.
Somit wurden auch die Brauereien ein Teil der Industrialisierung.
Nies:
Nachdem Familie Nies schon 70 Jahre lang das Braurecht hatte, kaufte Caspar Nies 1801 das heutige
Gebäude „Altes Brauhaus“ (gebaut 1729)
an der Rathausstraße, um die familiäre Hausbrauerei zu einer Handwerksbrauerei mit Mälzerei zu erweitern.
Am Ortseingang von Lipperode (neben dem späteren Golden Gate
bzw. jetzt ↗
Dorf-Alm)
wurde 1832 die Brauerei Tannenbaum C. Mattenklott gegründet.
Dazu habe ich leider keine weiteren Informationen, außer dass die Lipperoder Brauerei nach knapp 100 Jahren von Nies gekauft wurde (1930).
Weissenburg:
1870 gegründeten Ohm & Kleine die Brauerei Weissenburg an der Weißenburger Straße (wobei die Straße erst seit 1907 so heißt).
Im Jahr des Deutsch-Französischen Kriegs 1870 war der Brauereigründer Wilhelm Kleine vom deutschen Sieg in der französischen Kleinstadt
Wissembourg
(deutsch Weissenburg) so begeistert, dass er deshalb diesen Beinamen für seine neue Brauerei wählte.
Wilhelm Kleine (1844-1916) war der jüngste Sohn des reichen Brennereibesitzers August Kleine (1777-1848), dem die Kornbrennerei am Soesttor gehörte.
Als Vater August Kleine starb, war seine zweite Ehefrau Franziska erst 45 und Sohn Wilhelm erst 4 Jahre alt.
Die junge Witwe heiratete wieder, nämlich Ferdinand Ohm aus Münster (1826-1872), Bankier in Dortmund.
Ferdinand Ohm leitete
die Firma Kleine weiter und wurde Stadtverordneter in Lippstadt, außerdem Abgeordneter des ersten ordentlichen Reichstags des Norddeutschen Bunds.
Ferdinand Ohm und sein Stiefsohn Wilhelm Kleine gründeten zusammen die Weissenburg (Ohm & Kleine) als Wilhelm 26 Jahre alt war.
„Von der Weser bis zum Rheine, trinkt man Bier von Ohm & Kleine“ (Weissenburg Lippstadt)
Da Ferdinand Ohm aber bereits zwei Jahre später starb (1872), gehört die Brauerei dann Wilhelm Kleine alleine.
Zu den Immobilien der Familie Kleine gehörte die Villa an der Oststraße (heute
Vinzenzkolleg) sowie Gründstücke in Esbeck.
Zurück zu Nies:
1895 kaufte Wilhelm Nies gegenüber seinem „Altem Brauhaus“ in der Rathausstraße das heutige Stadtmuseum inkl. angrenzender Parzellen, d.h. den ganzen heutigen Marktplatz.
Dort stand eine Stärke-Fabrik, die der Kaufmann Friedrich Overbeck dort zwischen 1837-1863 errichtet hatte.
Von 1895 bis 1920 wurde das Gelände von der Brauerei Nies (Wilhelm & Dietrich Nies) genutzt.
1920 kaufte Nies dann seinen Konkurrenten, die Brauerei Weissenburg, und konzentrierte seine Tätigkeit dorthin („Nies-Weissenburg“),
d.h. der Braubetrieb an der Rathausstraße wurde eingestellt.
Nies' Wohnhaus wurde 1929 vom Kreisheimatmuseum bezogen,
heute ↗
Stadtmuseum.
Und die ehemaligen Fabrikgebäude auf dem heutigen Marktplatz wurden als Berufsschule genutzt, bis sie 1963 abgerissen wurden.
Für mich als später Geborener war es überraschend, dass auf dem Marktplatz einst Gebäude standen.
Nies ging weiter auf Einkaufstour. Nach dem Kauf von Weissenburg 1920, wurde 4 Jahre später
die
Paderborner Brauerei gekauft,
weitere 6 Jahre später Tannenbaum in Lipperode,
8 Jahre später Isenbeck in Hamm.
1966 wurde von Holz-Bierkisten auf Kunststoffkästen umgestellt, außerdem von Bügelflaschen auf Euro-Flaschen (die Halb-Liter-Euroflasche war bis Ende der 1980er Jahre allgemein Standard).
1971 kaufte Nies-Weissenburg auch noch die Klosterbrauerei Hamm hinzu.
Nies-Weissenburg war am Anfang der 1970er auf dem Höhepunkt, es gab Export-Bier und Altbier, und für die Arbeiter gab's gute Löhne („Nies-Pulver“) sowie 2,5 Liter Haustrunk pro Tag.
1983 wurde in Paderborn-Mönkeloh eine neue Brauerei gebaut und Nies konzentrierte alles in Paderborn. So endete das Brauwesen in Lippstadt.
Am 19.11.1984 erfolgte hier der letzte Sud. Die Marke Weissenburg kommt seitdem aus der neuen Paderborner Brauerei.
1985 kaufte die
Deutsche Saatveredelung (DSV)
das Weissenburg-Gelände in Lippstadt.
Zur gleichen Zeit stieg
Warsteiner
zur größten Biermarke Deutschlands auf. Und so kam es, dass 1990 die ganze Nies-Gruppe von der Warsteiner aufgekauft wurde, somit auch die Marke Weissenburg.
Ihren Höhepunkt erreichten die Warsteiner 1994 mit einem Ausstoß von mehr als 6 Millionen Hektolitern.
Krombacher
habe ich oben in der Zeittafel genannt, weil die Brauerei in Siegen auch in unserem Regierungsbezirk Arnsberg liegt,
und weil sie nach Beck’s in Bremen Deutschlands zweitgrößte Brauerei ist.
Interessant ist, dass die größten Brauereien nicht in Bayern, sondern in der Nordhälfte Deutschlands liegen, größtenteils in unserer Nähe.
Die meisten anderen, entfernteren Brauereien gehören zur Radeberger Gruppe (Frankfurt), die wiederum zum Oetker-Konzern (Bielefeld) gehört.
Die größten Brauereien im Jahr 2002, nach Ausstoß in Hektolitern (hl)
1. | Beck & Co., Bremen | ca. 5,5 Mio. hl |
2. | Krombacher Brauerei, Kreuztal-Krombach | ca. 4,9 Mio. hl |
3. | Warsteiner Brauerei, Warstein | ca. 4,6 Mio. hl |
4. | Bitburger Brauerei, Bitburg | ca. 4,2 Mio. hl |
5. | Karlsberg Brauerei, Homburg | ca. 4,1 Mio. hl |
6. | Dortmunder Actien-Brauerei, Dortmund | ca. 3,2 Mio. hl |
7. | Holsten-Brauerei, Hamburg | ca. 2,7 Mio. hl |
8. | König-Brauerei, Duisburg | ca. 2,4 Mio. hl |
9. | Veltins, Meschede-Grevenstein | ca. 2,4 Mio. hl |
In den 2000er Jahren konnte
Veltins seinen Absatz
leicht steigern, hingegen war der Warsteiner Absatz zwischenzeitlich eingebrochen.
2008 war die Brauerei in Warstein, die auf eine Leistung von 7 Millionen Hektolitern ausgerichtet ist, nicht mal zur Hälfte ausgelastet. 2010 trat eine Erholung ein.
Heutige Familienunternehmen rund um Lippstadt sind
die
Hohenfelder Brauerei, die seit 170 Jahren ein Familienunternehmen ist,
sowie die
Veltins-Brauerei, deren alleinige Eigentümerin Susanne Veltins ist (5. Generation).
Die einzige Brauerei in Soest ist das ↗
Brauhaus Zwiebel
(seit 1993), und in Lippstadt selbst besitzt Braumeister
↗
Daniel Thombansen die einzige Brauerei, die
er im Jahr 2000 gründete.