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Belagerung der Stadt Lippstadt durch die Katholische Liga, 1623


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1623 - Kampf um die Festung Lippstadt

Die Lippstädter verteidigten ihre Stadt sechs Wochen lang mit allen Mitteln - bis ihnen im Oktober 1623 das Schieß­pulver aus­ging.

Bereits 1447 hatten sich Lipp­stadts Wälle und Um­fluten ein­mal be­währt. Die an­grei­fenden Söldner des Erz­bischofs von Köln, der ein Gesamt-Heer von 15.000 Mann be­saß, zogen nach 12 Tagen Be­lagerung ab, weil sie es nicht schafften Lipp­stadt ein­zu­nehmen, in Brand zu schie­ßen oder Geld zu er­pressen.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) kämpfte die Katho­lische Liga gegen die Protes­tan­tische Union. Es ging um die Kon­fessionen und um die Macht­verteilung inner­halb des deutsch-römischen Reiches und in West­europa.
Obwohl Westfalen nicht der Haupt­schau­platz des Krieges war, dienten die west­fälischen Städte den Kriegs­parteien als Nach­schub­basis. So musste auch Lippstadt (evan­gelisch) mehr­fach Garnisonen in der Stadt auf­nehmen.
Die Einquartierung von Garnisonen war sehr un­beliebt, denn die Städter mussten die Soldaten und das Gefolge in ihren Häusern beher­bergen und ver­sorgen. Das war teuer und es kam regel­mäßig zu Nöti­gungen, Dieb­stählen und Streit.

Große Angst hatten die Westfalen vor den feind­lichen spanischen Truppen (katho­lisch), die wegen ihrer Mord­lust und Wollust ge­fürchtet waren. Be­richtet wird von Plünde­rungen, z.B. wenn die Ver­sorgung der Soldaten unter das Existenz­minimum ge­fallen war, und von Gräuel­taten.

Politisch bedingt hatten sich Soest und Lipp­stadt 1616 den spanischen Truppen er­geben müssen, aber eine Über­ein­kunft ge­schlossen, z.B. durften die Städte weiter­hin evan­gelisch bleiben. Zum Glück zogen die meisten Spanier nach kurzer Zeit wieder ab und ließen in Lipp­stadt nur eine Kompanie von 50 bis 200 Mann zurück, später sogar nur noch 40 Soldaten.
Doch 1620 kamen weitere spanische Truppen aus den Nieder­landen über den Rhein nach West­falen, mit 40.000 Reitern und 20.000 Mann zu Fuß. Nun be­fürch­teten die Lipp­städter gänz­lich aus­ge­sogen und ge­quält zu werden.

Doch es bot sich eine Chance, denn von der anderen Seite kam Herzog Chris­tian von Braun­schweig (evan­ge­lisch) mit seinen Truppen über die Weser nach West­falen, um gegen die Katho­lische Liga zu kämpfen. Und die Lipp­städter speku­lierten wohl, dass eine Be­setzung durch die Braun­schweiger weniger schlimm wäre als durch die Spanier.
Deshalb boten die Lipp­städter dem jungen Herzog Chris­tian (erst 22 Jahre alt) heim­lich an, hier Quartier zu be­ziehen. Das Angebot ohne Kampf in eine gut be­festigte Stadt ein­zu­ziehen, wird ihm ge­fallen haben.
Eine Vorhut bestehend aus 300 seiner Reiter kam am 2. Januar 1622 mit Hilfe der Lipp­städter Bürger über den Stadt­graben in die Stadt und nahm die ver­bliebenen 40 spanischen Sol­daten fest. Zwei Tage später erschien Chris­tian selbst und machte Lipp­stadt zu seinem Haupt­quartier.

Der Plan der Lippstädter ging auf - die spanische Armee machte im Juni 1622 einen Bogen um Lipp­stadt. Zunächst. Und "der tolle Chris­tian" (der verrückte Chris­tian) plünderte das Umland und den Dom­schatz von Pader­born und warb damit neue Söldner an, so dass seine Truppen auf 20.000 Mann an­wuchsen.
Doch durch seinen Erfolg wurde Lipp­stadt zur Ziel­scheibe für die Katho­lische Liga. Die bündelte nun ihre Streit­kräfte, um Chris­tian aus Lipp­stadt und West­falen zu ver­treiben. Als die Katho­lische Liga Soest und Hamm ein­nahm, zog sich Chris­tian hinter die Weser zurück.

Zuvor übergab Christian die Stadt an den Kur­fürsten von Branden­burg (auch evan­gelisch), der nun seine liebe Not hatte, Kompanien nach Lipp­stadt zu kriegen, denn Lipp­stadt und Bielefeld sollten ge­halten werden. Die Lippische Regierung ent­schul­digte sich, keine 200 Reiter nach Lipp­stadt schicken zu können.
Der Brandenburger warb nieder­län­dische Truppen an und be­kam so ins­gesamt 1.000 Soldaten in Lipp­stadt zu­sammen. Ein Teil der Lipp­städter Stadt­befestigung konnte zu­dem mit hunderten Bürgern be­setzt werden. Die Stadt ver­fügte über Nahrungs­mittel­vorräte für ein halbes Jahr.

Im Sommer 1623 tauchte die Armee der Katho­lischen Liga vor Lipp­stadt auf. Es waren Truppen aus Spanien, Italien, Ost­friesland, Pfalz-Neuburg (Bayern), Burgund (Frank­reich) und Wallonien (Belgien) - ge­schätzt bis zu 10.000 Mann.
Nachdem der Festungsgouverneur eine Über­gabe der Stadt ab­ge­lehnt hatte, be­gannen draußen die auf­wändigen Belage­rungs­vor­berei­tungen, d.h. das Graben von Lauf­wegen und Schanzen, Bauen von Hütten und Auf­stellen von Ge­schützen. Das ließ auch den Lipp­städtern Zeit für Vor­berei­tungen.

Der eigentliche Kampf begann am 6. September 1623. Die Belagerer ver­suchten die Stadt in Brand zu schießen. Die glühend ge­machten Geschosse ver­ur­sachten immer wieder Brände, doch die Frauen und Kinder waren un­er­müdlich beim Löschen der Feuer.
Eine andere Taktik war die Stadt­mauer zu unter­graben. Aber diese Möglich­keit gab es hier dank der Lippe-Umflut nicht. Deshalb konnten die An­griffe nur im Bereich der Stadt­tore er­folgen und somit standen die Chancen der Lipp­städter gar nicht so schlecht.

Als einmal das Feuer in der Stadt stark um sich griff, mussten die Bürger ihre Posten ver­lassen, um zu löschen. Dies be­merkten die Be­lagerer und wagten mit 800 Mann einen Sturm auf ein Außen­werk. Als die Leitern schon an­ge­legt waren, kamen die Lipp­städter jedoch zurück und feuerten so heftig, dass 300 Angreifer ge­tötet wurden und der Rest sich zurück­ziehen musste.
In Ausnutzung dieses Erfolges zogen die Lipp­städter vor das Kluse­tor, drangen in die Lauf­gräben ein und töteten viele Feinde.

Wegen der hohen Verluste ver­suchten die Be­lagerer die Lippe um­zu­leiten, um die Um­fluten trocken zu legen. Dazu grub man ober­halb von Lipperode einen tiefen Graben. Doch wegen der Wasser­massen und der ein­stürzenden Ufer er­tranken viele Arbeiter und das Vor­haben wurde auf­ge­geben.
Und beim Versuch an die Schleuse zu ge­langen, die den Stadt­graben regulierte, wurden die Spanier von den Be­wachern er­schossen.

Nach vier Wochen, Anfang Oktober, hatten die Spanier bereits 800 Tote und es wurde für sie dringend Zeit, die Stadt endlich ein­zu­nehmen.
Zwei Regimenter stürmten auf das Cappel­tor, ge­langten bis auf die Brücke vor dem Stadt­tor, als dieses nach unten ins Wasser ab­klappte. Zahl­reiche An­greifer fielen, einige er­tranken, der Rest wurde ge­fangen ge­nommen. Dabei starben aber auch viele Lipp­städter Bürger.

Als sich die Nachricht verbreitete, dass den Lipp­städtern die Munition aus­ging, wagten die Be­lagerer am 20. Oktober einen General­angriff. Morgens um 8 Uhr wurden das Soest­tor, Cappel­tor und Kluse­tor gleich­zeitig an­ge­griffen.
Diesmal mussten auch die Lipp­städter Frauen mit­kämpfen, aus­ge­stattet mit Hellebarden (Stange mit Spieß). Alle Angriffe konnten ab­ge­wehrt werden, die Gräben füllten sich mit Toten. Bilanz dieses Tages: 600 tote Be­lagerer, aber auch die Sol­daten und Bürger in der Stadt hatten 100 Tote zu be­klagen.

Obwohl sich die Stadt behaupten konnte, musste sie aus Mangel an Munition und Pulver doch in Kapi­tu­la­tions­ver­hand­lungen ein­treten.
Der Kapitulationsvertrag vom 23.10.1623 billigte der Garnison den freien Abzug aus der Stadt, mit flie­gendem Fähn­lein, Trom­peten und Trommel­schlag, Waffen, samt aller Familien Bagage, Pferden und Wagen, Sack und Pack.
Die 300 Wagen, die benötigt wurden, wurden von den Be­la­gerern aus dem Stift Köln, dem Stift Paderborn und dem Stift Münster be­sorgt.

Die Einnahme Lippstadts bewirkte, dass auch Bielefeld, Ravens­burg, Herford und Vlotho kapi­tu­lierten.
Im Kapitulationsvertrag (Accord) waren für Lipp­stadt vorteil­hafte Be­dingungen fest­gelegt worden: es sollten nur 600 deut­sche Fuß­soldaten und keine Reiter in der Stadt ein­quar­tiert werden. Doch ent­gegen dem Vertrag wurden die Lipp­städter durch harte Drangsale übel zu­ge­richtet.

Als den Lippstädtern nach drei Monaten die Vor­räte aus­gingen, konnten sie die Garnison nicht mehr ver­pflegen und mussten statt­dessen Bar­zahlungen an die Garnison leisten.
Es gab Übergriffe und Gewalt­taten einzelner Soldaten, und als Dauer­plage die bettelnden und stehlenden Kinder und Frauen der Soldaten. Doch erst nach 7 Jahren begann die Räumung der Stadt, im April 1631.

Doch dieses Glück der Freiheit hielt nicht lange an, denn 5 Jahre später, 1636, wütete die Pest in Lipp­stadt und raffte hier in einem Jahr 500 Menschen weg, d.h. un­ge­fähr jeden Fünften.

Der Dreißigjährige Krieg war erst 8 Jahre vorbei, als sich am 25. Juli 1656 ein großer Teil der Lipp­städter auf dem Jacobi­markt in Mastholte be­lustigte. Während­dessen brach in Lipp­stadt Feuer aus, das aus Mangel an Lösch­mann­schaften nicht ge­löscht werden konnte. 330 Häuser brannten nieder.
Viele Fachwerkhäuser, die noch heute in Lipp­stadt stehen, sind Häuser, die nach diesem großen Stadt­brand neu ge­baut werden mussten.
Text/Zusammenfassung: Jörg Rosenthal.
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Quellen:
• Buch „Chronik der Stadt Lippstadt“, Franz Kesting, 1932
• Buch „Die Garnison“, Lippstädter Spuren 7/1991, Wolfram Ibing
• Buch „Die Festung Lippstadt“, Gunter Hagemann, 1985
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